Der Marathon-Killer: Thriller
anstellen, und von denen sollte Bancroft nicht beeinflusst werden.«
»Wir überlassen Dhar also den Amerikanern?«, fragte Armstrong.
»Wir müssen ihn finden, für den Fall, dass er tatsächlich hinter dem Anschlag auf den Marathon steckt«, erwiderte Fielding, wandte sich an Armstrong und fügte leise hinzu: »Übrigens sehr freundlich von Ihnen, uns darüber in Kenntnis zu setzen.«
»Ich hatte ganz vergessen, wie gern Sie Informationen teilen«, gab Armstrong zurück.
»Ich denke, Marcus hat recht«, sagte Chadwick. »Wir müssen Dhar finden.« Er war immer der Meinung gewesen, dass man die Spannungen zwischen den Abteilungen reduzieren konnte, indem man sie standhaft ignorierte. »Meine Güte, Dhar hatte es auf den London Marathon und auf die verfluchte Tower Bridge abgesehen. Damit richtete sich sein Anschlag gegen das, was dieses Land zusammenhält. Und Dhar ist auch die einzige Möglichkeit, wie wir einen Schlussstrich unter die Affäre Stephen Marchant ziehen können. Wenn die beiden sich getroffen haben, was wahrscheinlich ist, müssen wir herausfinden, warum und was tatsächlich besprochen wurde.«
»Gibt es ganz sicher keine Aufzeichnungen, dass Stephen Marchant oder jemand anderes Dhar rekrutiert hat?«, fragte Lockhart. »Bei diesem Treffen oder auch vorher? Der Premierminister wünscht in diesem Punkt eine konkrete Aussage.«
»Wir sind alle Akten von Marchant mehrmals durchgegangen«, sagte Fielding. »Und wir haben sie mit jeder unserer Datenbanken gegengecheckt. Nichts. Niemand sonst vom MI6 oder MI5 ist je an Dhar herangetreten.
Wir glauben, die Inder haben einmal einen Versuch unternommen, hatten allerdings keinen Erfolg.«
Armstrong nickte zustimmend und blickte Fielding an.
»Und was ist mit seinem Sohn?«, fragte Chadwick. »Lassen wir die Amerikaner mit ihm reden? Ich meine, deren Sichtweise liegt auf der Hand: Stephen Marchant trifft sich mit Dhar, Dhar wirft Bomben auf US-Botschaften; Daniel Marchant trifft Dhars Lauffreund, Dhars Freund versucht, den US-Botschafter zu ermorden.«
»Und Marchant verhindert das«, sagte Fielding. »Das ist der springende Punkt.«
Aber er wusste, der Punkt würde an die anderen gehen.
9
Später am gleichen Tag nahm Fielding Chadwicks Einladung zu einem Aperitif im Travellers Club in der Pall Mall an. Eigentlich war er kein typischer Clubgänger, doch in den letzten Jahren, als Stephen Marchants Stuhl zu wackeln begann, war Fielding immer wieder von den verschiedensten hohen Beamten aus Whitehall bewirtet worden, auch von Chadwick, denn man wollte seine Eignung als Leiter des MI6 einschätzen. In der alten Garde herrschte ein gewisses Unbehagen, weil er nicht verheiratet war, doch die Zeiten änderten sich, und die meisten nahmen an, der Vikar sei enthaltsam und nicht schwul. Damit konnte Fielding leben.
Früher, als der MI6 noch im trostlosen Century House in Southwark saß, hatten sich die Mitarbeiter regelmäßig im Travellers getroffen. Seit dem Umzug ins neue Hauptquartier mit der plüschigen Bar im ersten Stock und der Terrasse zur Themse, wo man im Sommer seinen Drink im Freien nehmen konnte, hatte das Travellers für die jüngeren Angestellten seine Anziehungskraft verloren. Doch alte Gewohnheiten lassen sich schwer ablegen, und so erkannte Fielding einige der älteren Gesichter, als er in der holzgetäfelten Bibliothek Platz nahm.
»Ich biete Ihnen einen Deal an«, sagte Chadwick und
schwenkte seinen Talisker-Whisky im Glas. Er gehörte zu den zuverlässigsten Figuren in Whitehall, jemand, den man am Ende einer erfolgreichen, wenn auch verwunderlichen Karriere geholt hatte, um nach dem Fiasko mit Marchants Abgang das Geheimdienstschiff wieder in ruhigere Gewässer zu lenken. Ein Beleg dafür, dachte Fielding, dass Mittelmaß genügt, um es in großen Organisationen wie dem Staatsdienst überraschend weit zu bringen.
»Die Amerikaner haben zugesagt, alle Ermittlungen über ein Treffen zwischen Dhar und Stephen fallen zu lassen, wenn sie im Gegenzug mit Daniel Marchant reden können und wir ihnen Dhar überlassen.«
»Reden?«
»Sie wollen ihn schon ein bisschen in die Mangel nehmen.«
»Warum?«
»Kommen Sie, Marcus. Ich weiß, er war einer Ihrer Besten, aber es ist schon sehr auffällig, dass ausgerechnet er beim Marathon war. Die Amerikaner glauben, er könnte ihnen etwas über Dhar erzählen. Und um ehrlich zu sein, finde ich den Gedanken recht verlockend, dass Ihnen jemand Marchant abnimmt. Er trinkt zu viel. Das Letzte, was
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