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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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der Kubakrise war er zur Air Base Fairford gefahren und hatte sich angesehen, wie sie am Ende der Startbahn mit laufenden Motoren auf den Einsatzbefehl warteten.
    Marchant erinnerte sich an den Morgen, an dem sein Vater ihn angerufen und ihm mitgeteilt hatte, dass er von seinem Posten als Leiter des MI6 zurücktreten werde. Die Macht und die Autorität waren aus seiner Stimme verschwunden, als habe er sein Leben lang ein Megafon benutzt und es plötzlich abgeschaltet. Marchant hatte seinen Anruf am Flughafen Heathrow entgegengenommen, er war auf dem Rückweg von Mogadischu, um in London Weihnachten zu feiern.
    »Bist du schon durch die Passkontrolle?«, hatte sein Vater abwesend gefragt.
    »Ich warte auf ein Taxi. Warum? Ist etwas passiert, Dad?«
    »Nimm die U-Bahn bis Hammersmith und dann ein Minicab von dem Laden an der Fulham Palace Road. Frag nach Tarlton. Sie wissen Bescheid.«
    »Dad, was ist denn los? Alles in Ordnung?«
    »Die schieben mich in den Ruhestand ab. Pass auf dich auf.«
    Marchant war sofort auf der Hut gewesen, so als befinde er sich auf einem Flughafen im Ausland. Rasch ging er in die U-Bahn und zerbrach sich den Kopf darüber, was diese Nachricht für ihn und für seinen Vater bedeuten könnte. Er wusste, welcher Druck sich in den vergangenen Wochen aufgebaut hatte. Im Parlament hatte man
Fragen gestellt, weil die britischen Geheimdienste ihren Aufgaben nicht gewachsen schienen, und in den Zeitungen gab es aggressive Leitartikel zur Anschlagwelle sowie Mutmaßungen, wie man sie hätte verhindern können.
    Sein Vater bezahlte das Minicab in bar und bestand darauf, seinem Sohn die zwei Taschen abzunehmen. Es war ein kalter Dezembertag, und in den Apfel- und Kirschbäumen vor dem Haus glänzten überfrorene Spinnweben. Ein dünner Rauchfaden stieg aus dem Schornstein auf. Das Haus bestand eigentlich aus zwei Cotswolds-Cottages, die miteinander verbunden waren und von Rasen und einer Trockenmauer eingefasst wurden. Es war ein abgelegener Ort, knapp einen Kilometer vor Tarlton in einem kleinen Dorf nahe Cirencester. Marchant befielen hier immer eigenartige Gefühle. Das Haus war die einzige Konstante in seiner wechselhaften Kindheit gewesen, ein Ort kurzer Ruhepausen zwischen den langen Dienstzeiten im Ausland und früher auch ein Heim, das er mit seinem Bruder teilte. Es war so unglaublich englisch, und zwar nicht nur, weil es in dem für die Cotswolds typischen Stil gebaut war, sondern weil es für ihn zu einer Verkörperung all dessen geworden war, was er von zu Hause vermisste: frisch gemähtes Gras, Laubfeuer im Herbst, Obstbäume. Und natürlich hatte es ihn stets enttäuscht, weil es nicht mit seinen Kindheitsträumen vom sagenumwobenen alten Britannien mithalten konnte.
    »Schön, dass du gekommen bist«, sagte sein Vater und ging Marchant durch die Hintertür voraus. »Hast du etwas dagegen, wenn wir eine kleine Fahrt unternehmen?«

    Zehn Minuten später fuhren sie in seinem Oldtimer, einem 1931er Lagonda, durch das kalte Land und konnten einander wegen des lauten Motorgeräusches kaum verstehen. Raureif lag auf den Hecken, und auf der Straße lauerten gefrorene Stellen. Stephen Marchant schien sich nicht darum zu kümmern. Er trug einen dicken Wollschal und Handschuhe. Daniel saß neben ihm. Er hatte vergessen, wie kalt es in einem Auto sein konnte.
    »Im Haus ist es nicht sicher«, sagte sein Vater und schaltete einen Gang runter, als sie auf eine Kreuzung zufuhren. Das Haus war verkabelt, wie es der Schutz des Geheimdienstleiters auch in seinem Wochenendrefugium erforderte. Jetzt arbeitete gegen ihn, was eigentlich zu seiner Sicherheit gedacht war.
    »MI5?«, fragte Marchant, und der muffige Geruch des Stoffs und des heißen Öls, den der alte Wagen ausströmte, trug ihn zurück in einen fernen Teil seiner Kindheit. Sein Vater und er hatten sich immer nahegestanden, beide fühlten sich in Gegenwart des anderen wohl, weitschweifige Erklärungen waren selten notwendig, und sie brauchten auch nicht viel Zeit, um aufzutauen. Selbst als Marchant von der Schule geflogen war, wurde sein Vater nicht wütend, sondern ärgerte sich nur, weil er sich hatte erwischen lassen.
    »Ich stelle angeblich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit dar«, schrie er, ließ den Bremshebel an der Wagenseite los und fuhr in Richtung Avening weiter. Marchant hoffte, er würde so wunderbar altern wie sein Vater, durch dessen dichtes Silberhaar der Wind wehte. Er hatte dicke, helle Augenbrauen und ein

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