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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Koffer und komm zu uns. Du kannst bei uns bleiben, bis du dich als Hausbesetzer etabliert hast. Was du jetzt brauchst, ist Gesellschaft, auch wenn es nur Oliver und ich sind.«
    Plötzlich gab es nichts, was ich mir mehr wünschte, als Kates Aufforderung Folge zu leisten.
    »Wunderbar«, sagte ich. »Dann bis heute abend.«
    Mit meinem Fahrrad, das unter dem Gewicht der Satteltaschen ächzte, stieg ich in den Zug und traf um acht Uhr auf dem kleinen Vorortbahnhof ein. Er lag rund fünfzig Kilometer von London entfernt am Rand eines alten Marktfleckens, der sich vergebens dagegen gewehrt hatte, zur Schlafstadt zu werden. Jamie und Kate wohnten fünf Kilometer vom Bahnhof entfernt, nicht weit von dem Dorf Bodenham.
    Als ich die schmalen Straßen entlangradelte, vorbei an zahllosen Kastanienbäumen, die ihre weißen Kerzen aufgesteckt hatten, war es noch hell, aber durchaus nicht still. Die Vögel veranstalteten ihr übliches Spektakel, und lan d wirtschaftliche Maschinen waren auf dem Weg nach Hause. Ich sauste die steile Straße hinab, die nach Bodenham hineinführte, und bog am Ententeich links ab, ein Manöver, das mich nur um Haaresbreite an einem Enterich vorbeiführte, der seelenruhig über die Straße watschelte. Selbst hier ließ man es an der nötigen Rücksicht auf Ra d fahrer fehlen.
    Das Haus von Kate und Jamie lag am Ende einer schnurgeraden Straße von knapp einem Kilometer Länge. Ich hörte das Auto erst, als die Hupe wenige Schritte hinter mir ertönte und ich vor Schreck fast aus dem Sattel kippte. Als ich mich umdrehte, sah ich Jamies Jaguar XJS, der lau t los in meinem Windschatten dahinglitt. Er versuchte mich zu überholen. Doch ich verlangsamte das Tempo und fuhr in Schlangenlinien von einer Straßenseite zur anderen. Manche Menschen werden eben nie erwachsen.
    Ihr Haus hieß Dockenbush Farm, ein altes Gutsgebäude , umgeben von Ställen und Schuppen, die von einem benachbarten Bauern genutzt wurden. Ein Garten von etwa 2000 Quadratmetern gehörte dazu, eine bezaubernde Wildnis aus wuchernden Rosen und Büschen. Auf der einen Seite befand sich ein kleiner Obstgarten mit einem grünblauen Teppich aus Gras und Glockenblumen. An der Vorderseite rankte wild ein gelber Rosenstrauch empor, so daß ich mich ducken mußte, um einem dicken Zweig voller Dornen und Blüten auszuweichen.
    »Ich muß ihn mal aufbinden«, sagte Jamie. »Obwohl er einem lästige Besucher wie dich vom Leibe hält.«
    »Laß mich das machen«, sagte ich. »Ich werde dem ganzen Garten mal etwas Pflege angedeihen lassen.«
    Sie waren vor zwei Jahren eingezogen, kurz nachdem Jamie bei Dekker Ward angefangen hatte. Das Haus kam mir für die beiden und ihr kleines Kind lächerlich groß vor, zumal ich die beiden davor lediglich in einer winzigen Zweizimmerwohnung in Chiswick erlebt hatte. Ein bi ß chen erinnerte es mich an das Haus, in dem Jamie aufg e wachsen war, jenes Haus, in dem ich zweimal zu Besuch gewesen war, bevor der Vater es verkaufen mußte. Das war natürlich kein Zufall. Genausowenig wie der Umstand, daß auch Ricardo ein prächtiges Haus auf dem Land bewohnte.
    Kate war barfuß und stellte sich auf Zehenspitzen, um mir einen Kuß zu geben. »Hallo. Das Abendessen ist fast fertig. Leider ist es nur ein Stew.«
    Die große alte Küche wurde von einem Herd erwärmt und war mit altmodischem Spielzeug und gußeisernen Töpfen und Pfannen dekoriert. Das Stew war köstlich. Unter Plaudern und Lachen leerten wir eine Flasche chilenischen Rotwein, bis Jamie schließlich bei einer französ i schen Käseplatte das Thema anschnitt, das wir bisher so sorgfältig vermieden hatten. »Ricardo hat heute morgen über dich gesprochen.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Er hat eine kleine Ansprache gehalten. Er hat uns berichtet, warum du gekündigt hast. Wenn jemand mit der Dekker-Ward-Philosophie nicht zurechtkomme, sei das in Ordnung. Er hätte dir die Möglichkeit gegeben zu künd i gen, aber du hättest sie nicht genutzt. Er würde nie und unter keinen Umständen dulden, daß irgendein Mitglied des Teams die anderen verrate. Du würdest nie wieder eine Anstellung bekommen, weder in der City noch an der Universität.«
    »Und du hast dazu geschwiegen, Jamie?« fragte Kate fa s sungslos.
    Jamie zuckte mit den Achseln.
    »Er konnte den Mund nicht aufmachen«, sagte ich. »So etwas ist bei Ricardo nicht möglich.« Dann fragte ich J a mie : » Was denken die anderen?«
    Jamie seufzte. »Läßt sich nicht sagen. Alle sind ein bißchen bedrückt nach

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