Der Marktmacher
ist reine Zeitverschwendung und genaugenommen sogar hinderlich, weil es ihnen erschwert, die S i tuation sachlich zu beurteilen.«
»Aber ich hätte sie aufmuntern können, wenn ich bei ihr geblieben wäre. Ihr die Situation erleichtern.«
Nelson senkte die Summe. »Ehrlich gesagt, Nick, Sie haben Glück gehabt, daß Sie entkommen sind. Isabel wird nichts passieren. Sie hat einen reichen Vater, der bereit ist, ein angemessenes Lösegeld zu bezahlen. Aber Sie? Ihnen hätte es leicht passieren können, daß die Entführer Sie u m bringen, um zu zeigen, daß sie es ernst meinen. Sie sind hier wirklich besser aufgehoben.«
Ich schauderte. Vielleicht hatte Nelson recht. Aber ich war bereit alles zu tun, wirklich alles , um Isabel da rauszuholen.
Den Tag über verbrachte ich in der Wohnung der Pereiras. Ein Polizist kam, ein Kriminalbeamter namens DaSi l va, der den gleichen schlecht sitzenden Anzug und den gleichen grellen Schlips trug wie offenbar alle Kriminalbeamten dieser Welt. Wie Nelson prophezeit hatte, versprach DaSilva, sich im Hintergrund zu halten. Offenbar war es der Polizei in der Vergangenheit gelungen, einige der Übeltäter zu erw i schen, indem sie sich auf die Vorg e hensweise, den Modus operandi der Entführerbanden konzentriert hatte. Die Methode war jedenfalls erfolgversprechender als irgendwelche spektakulären Befreiungsaktionen mit wild um sich schießenden Polizeibeamten. Eine Stunde lang befragte mich DaSilva, wobei er versuchte, jede noch so kle i ne Einzelheit in Erfahrung zu bringen, an die ich mich zu erinnern ve r mochte. Dann schloß er ein Bandgerät an das Telefon an und bat uns, ihn täglich auf dem laufenden zu ha l ten.
Das Warten war eine einzige Tortur, und es hatte gerade erst begonnen. Luís versuchte sich mit seinen Bankgeschäften abzulenken, konnte sich aber nicht konzentrieren. R u helos tigerte er in der Wohnung umher, nahm hin und wieder ein Blatt Papier oder ein Dokument in die Hand und richtete gelegentlich das Wort an mich oder Cordelia.
Cordelia hatte darauf bestanden, uns Gesellschaft zu leisten. Anfangs versuchte sie zu lesen, stellte aber dann doch den Fernsehapparat in dem kleinen Wohnzimmer an und saß vor dem flimmernden Bildschirm, ohne von dem G e sehenen wirklich etwas aufzunehmen.
Ich war total übermüdet: In der letzten Nacht hatte ich kein Auge zugetan. Auch jetzt war an Schlaf nicht zu denken. Ich versuchte, meine Unruhe in den Griff zu beko m men, hatte das Bedürfnis, zu schreien, zu toben, irgend e t was tun zu müssen. Aber natürlich gab es nichts zu tun.
Schwermut befiel mich. Ich war ihr hilflos ausgeliefert. Ich klammerte mich an die Erinnerung der wenigen g e meinsamen Tage, die Isabel und mir vergönnt gewesen waren, so als würde es für uns keine Zukunft mehr geben. Das war natürlich lächerlich. Höchstwahrscheinlich würde man sie in den nächsten Tagen wohlbehalten auf freien Fuß setzen, und dann würde ich sie wieder in meine Arme schließen können. Doch ich vermochte mein Hirn nur auf kurze Zeit dazu zu bewegen, sich ein Happy-End auszumalen. Immer wieder kehrten meine Gedanken zu Worst-Case-Szenarien zurück.
Auch Nelson blieb, verhielt sich aber sehr unauffällig. Ich sprach noch einmal mit Ricardo und stellte den Kontakt zwischen Nelson und dem Versicherungsmakler bei Lloyds her, der die Entführungspolice für Dekker Ward abg e schlossen hatte. Bei Lloyds schien man Nelson zu kennen, was ermutigend war. In der Police verpflichtete sich die Versicherungsgesellschaft, für ein von den Angehörigen oder Dekker Ward verlangtes Lösegeld bis zu e i ner Million Dollar aufzukommen.
Den ganzen Tag über klingelte das Telefon. Luís wollte mit der Bank in Kontakt bleiben. Er hatte seinen Mitarbeitern mitgeteilt, seine Tochter sei krank und er müsse sich um sie kümmern. Weitere Einzelheiten hatte er nicht g e nannt, und sehr überzeugend hatte das Ganze auch nicht geklungen, aber er war der Chef, und über dessen En t scheidungen diskutierte man nicht.
Ich blieb bis zum Abendessen und fuhr dann ins Hotel zurück. Ohne Isabel erschien es mir leer. Ich ging in ihr Zimmer und packte ihre Sachen. Ich kam mir irgendwie indiskret vor, als ich ihre persönlichen Dinge zusammensuchte. Es war ein sehr intimer Akt, als wären wir uns in dem Augenblick, wo das Schicksal uns trennte, noch ein Stück nähergekommen. Die Ironie der Situation machte mich traurig.
Mit ihrer Reisetasche kehrte ich auf mein Zimmer zurück und schickte mich an, ins
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