Der Marquis schreibt einen unerhörten Brief
nur ein Kind, das sich im Wald verirrt hat, er ist der feste Wille, einen Weg zu finden. Kurz und gut, mögen die Eicheln auch an den Steineichen wachsen, meiner Bewunderung für diese Bäume, diese starken, eigensinnigen Riesen mit ihren eingeschlechtlichen Blüten tut dies keinen Abbruch. Die Waldeiche, Freund Bautista, ist ein anregender Baum für mich, wenn er uns auch durch seine Langlebigkeit an die Flüchtigkeit unserer eigenen Existenz erinnert. Vielleicht ist das, bei ganz genauer Betrachtung, der einzige Nachteil, den ich an ihm entdecken kann. Denn wer könnte eine Waldeiche oder eine Steineiche pflanzen, ohne dabei auch an die Kürze des eigenen Lebens zu denken? Wo werden wir sein, wo werden unsere absurden Briefe, unsere Adelstitel und unsere Freunde, die Frösche, sein, wenn aus der Steineiche, die ich heute pflanze, die ersten Eicheln sprießen werden? Können wir es widerspruchslos hinnehmen, daß die Eicheln dieser Steineiche, wenn wir schon lange Jahre nicht mehr sind, Rudeln glücklicher Schweine als Nahrung dienen werden? Nun gut, enthalten wir uns jetzt weiterer Abschweifungen. Kehren wir zu uns zurück. Bisweilen habe ich den Eindruck, daß ich zuviel rede, ohne daß es mir gelänge, alles zu sagen. Wir waren bei der Verwirrung stehengeblieben, in die den Herrn Grafen der Versuch stürzt, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob frische Zweige fundamental sind oder nicht. Und vielleicht läßt das viele Nachdenken über diese Frage allmählich den Verdacht in ihm keimen, daß ich mit Hilfe eines recht gängigen literarischen Kunstgriffs herauszufinden suche, wie echt seine Vorliebe für die Farbe Grün ist, mit der er sich immer so aufgespielt hat. Lassen Sie mich das näher erklären: Die Blätter, die im Frühling und im Sommer grün sind, verfärben sich im Oktober gelblich und verwelken im Winter. Trotzdem stellen die Leute, wenn sie an Blätter denken, sich diese fast immer grün vor. Die Folgerungen Don Demetrios werden also mehr oder minder folgende sein: »Die Blätter sind grün. Grün ist meine Lieblingsfarbe. Die Blätter wachsen aus den Zweigen. Die Zweige sind daher fundamental, zumindest für mich, verschaffen sie mir doch das Grün, das ich liebe.« Finden Sie nicht, Bautista, daß dies ein faszinierendes Spiel ist? Jubeln wir jedoch nicht zu früh. Es kann sein, daß Don Demetrios Überlegungen sich auf ganz anderen Pfaden bewegen. Nehmen wir einmal an, daß der Herr Graf, der seinem eigenen Schatten mißtraut, wie ich Ihnen schon sagte, hinter meiner Frage irgend etwas wittert. Es will ihm nicht in den Kopf, daß ich nach zwanzig Jahren Schweigen in die Welt zurückkehre, um ausgerechnet ihn zu fragen, ob frische Zweige fundamental sind oder nicht. Er grübelt und grübelt, erwägt jedes Für und Wider, liest den Brief wieder und wieder und stellt schließlich fest, daß da und dort ein >und< fehlt und daß alle Umlaute sich in ein i verwandelt haben. Dies könnte er anhand der einfachsten Wörter entdecken, die eben deshalb um so schwerer zu tarnen sind. Zum Beispiel bei Vokabeln wie dem Adjektiv schön (im Brief schin ) oder bei den Substantiven Öl (im Brief II) oder Käse ( Kise in dem Schreiben). »Ei sieh da!«, wird er sodann ausrufen, sich mit der flachen Hand an die Stirn schlagend und sich für den klügsten Mann der Welt haltend. »Dieser diabolische Marquis, den der Teufel holen soll, will mich in den Wahnsinn treiben! Er hat frische statt Frösche geschrieben!« Und da steht er plötzlich vor einem großen, echten Geheimnis: »Sind Frösche fundamental, lieber Graf?« Seien Sie kein Flegel, Bautista, schnauben Sie nicht so. Und hören Sie auf, den Kopf zu bewegen, als würden Sie dem Himmel danken. Denken Sie nicht, daß von jetzt an alles kinderleicht sein wird. Mitnichten. Der Herr Graf wird weiterhin zweifeln; es wird ihm ebensowenig leicht fallen, die passende Antwort auf die neue Frage zu finden. Ich sagte Ihnen ja bereits, daß Don Demetrio kein sehr gebildeter Mann ist. Um sich einen sicheren Ausgangspunkt zu verschaffen, wird er als erstes in Erfahrung zu bringen suchen, was unter fundamental zu verstehen ist. Und auf der Suche nach der offiziellen Definition wird er sich genötigt sehen, das Wörterbuch zu konsultieren. Fundamental, wird er sodann lesen, ist das, was als Fundament dient. Fundament: Zement eines Gebäudes, Grundlage, Ursprung einer Sache. »Was haben Frösche mit Zement und mit Gebäuden zu tun«, wird er sich fragen. »Was haben sie mit
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