Der Marquis schreibt einen unerhörten Brief
Welche Sünden haben wir, seine Nächsten, begangen, daß wir uns eines Mannes beraubt sehen, der so viel guten Geschmack bei der Auswahl seiner Dienstboten beweist?« Die Eleganz der Diener nützt immer den Herren, Bautista. Nehmen Sie also den Regenschirm, denn vielen, die Sie in einer so vornehmen Aufmachung sehen, wird sich das Gedächtnis auffrischen, und sie werden sich an mich erinnern, der ich einst der vornehmste Herr der ganzen Gegend war. Zudem kann Ihnen dieser Regenschirm noch einen weiteren Dienst erweisen. Bedenken Sie, daß ein Regenschirm, außer daß er uns vor Regen schützt, von dekorativen Gründen einmal abgesehen, sich auch in ein ausgezeichnetes Instrument zur Abwehr unerwarteter Angriffe verwandeln kann. Ich werde das näher erklären, machen Sie nicht so eine saure Miene. Ich sagte Ihnen bereits, daß Sie keinen Widerstand leisten dürfen, wenn der Herr Graf beschließt, Sie auszupeitschen. Ebensowenig dürfen Sie sich verteidigen, wenn Sie auf ausdrücklichen Wunsch Don Demetrios von den Dienern verhauen werden. Stellen Sie sich jetzt jedoch vor, Sie kommen zum Schloß, und irgendein Diener, der Ihnen die Dienstbotentür öffnet und Sie in Ihrer grünen Kleidung auf der Schwelle erblickt, bricht in schallendes Gelächter aus. »Wer sind Sie«, wird er Sie fragen, sich krümmend und windend, »ein Mensch oder ein Peperoni?« Ich weiß, ich weiß, Bautista! Sie sind ein Mensch, der sich sein ganzes Leben lang die schlimmsten Beschimpfungen hat anhören müssen! Bestimmt wird man Sie einen Dummkopf, Dussel, Simpel, Schwachkopf, Einfaltspinsel, Trottel und was weiß ich noch alles genannt haben. Vor kurzem haben wir sogar die Möglichkeit erwogen, daß der Herr Graf Sie als Wurm bezeichnen könnte, und wir waren übereingekommen, daß Sie diese Schmähung resigniert über sich ergehen lassen sollten. Schon das Sprichwort sagt: Beleidigungen rächt man oder schluckt man – nur gründlich muß es sein. Aber sollen Sie es auch hinnehmen, daß eine Person Ihres eigenen Standes Sie als Peperoni bezeichnet? Müssen Sie sich bis zu diesem Punkt erniedrigen? Oh nein! Dulden Sie diese Beleidigung nicht, Bautista! Ich bitte Sie dringlichst darum! Reagieren Sie energisch, entladen Sie Ihren ganzen Zorn auf diesen Flegel! Sehen Sie? Es kommt der Augenblick, den Regenschirm zu benutzen. Sie können ihn wie einen Degen handhaben. Natürlich haben Sie nicht die geringste Ahnung von der Fechtkunst, denn diese ist Sache von Standespersonen, doch ich werde Ihnen jetzt sofort vier Grundlektionen erteilen. Seien Sie unbesorgt, denn es ist sehr einfach. Befassen wir uns als erstes mit der Auslage, der wichtigsten Stellung des Fechters. Es gibt vier Linien oder Positionen: oben, unten, außen, innen. Suchen Sie nicht nach anderen, denn Sie werden keine finden. Auf die vier Angriffe, die theoretisch in Richtung dieser vier Linien gegen Sie geführt werden können, können Sie mit vier Paraden reagieren, da aber jede dieser Paraden sich in zwei verschiedene teilt, je nachdem ob die Fingernägel nach oben oder nach unten gerichtet sind, und da dieses Prinzip auch auf den Angriff angewandt wird, ergeben sich acht verschiedene Möglichkeiten, anzugreifen und zu parieren, die, multipliziert mit den beiden Linien, sechzehn unterschiedliche Kombinationen ergeben. Können Sie mir folgen, Bautista? Wird Ihnen schwindlig bei so vielen Zahlen? Lassen Sie den Mut nicht sinken, es ist nicht so schwer, wie es auf den ersten Blick scheint. Sehen Sie her, wie ich diesen Blumentopf angreife. Stellen Sie sich vor, daß ich einen Degen in der Hand halte. Es gilt, Entschlossenheit zu zeigen, große Entschlossenheit. Der Angriff ist der Stoß, mit dem Sie versuchen werden, Ihren Gegner zu treffen. Sie können zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen: freier Angriff, gebundener Angriff, Tempostoß, Arretstoß, Riposte, vollendete Konterriposte und Stoß. Ich glaube, ich habe sie Ihnen alle aufgezählt. Halten Sie sich stets vor Augen, daß Entschlossenheit nicht Überstürzung bedeutet, das heißt, bewahren Sie die ganze Zeit, die der Kampf dauert, einen kühlen Kopf. Verlieren Sie auch nicht einen Augenblick die Gemütsruhe. Wenn Sie es für das Beste halten, vorzurücken, dann rücken Sie zuerst mit dem rechten Fuß vor und unmittelbar darauf mit dem linken. Wenn Sie hingegen beschließen, zurückzuweichen, gehen Sie umgekehrt vor, ziehen Sie zunächst den linken Fuß zurück und dann den rechten, in beiden Fällen ohne die Füße
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