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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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Kennzeichen:
    linke Wade etwas dünner als die rechte.
    Stoisch lässt Timm die Visitation über sich ergehen. Vergeblich sucht er Augenkontakt mit Ahrens, der ihm wie ein Pferdehändler den Mund aufreißt und wie ein Viehschätzer seinen Körper begutachtet.
    „Anziehen!“, befiehlt er. Dann wendet er sich Tietjens zu: „Die Handfesseln!“
    Der Wärter eilt hinaus und erscheint nach wenigen Minuten mit einer Eisenkette.
    Ergeben streckt Timm ihm die Hände entgegen. Doch Ahrens krächzt mit belegter Stimme: „Hände auf den Rücken!“
    „Mutt dat ween, Hinnerk? Ik loop ju nich wech.“ Hilflos versucht Timm einen persönlichen Kontakt herzustellen.
    Ahrens strafft sich, steckt wie ein Feldwebel die Daumen hinter den Gürtel und wirft Timm einen verächtlichen Blick zu: „Für Sie: Herr Wachtmeister!“
    Gegen sieben Uhr betritt Timm, gefesselt und eingezwängt zwischen den Uniformierten, die zum Justizamt führende Straße. Nur wenige Bewohner der noch im Schlaf liegenden Kleinstadt kommen ihnen entgegen. Darunter zwei junge, grob gekleidete Frauen auf dem Weg zur Arbeit in der nahegelegenen Zuckerfabrik des Herrn de Voss.
    Sie senken die Köpfe, schielen im Vorübergehen nach Timm, bleiben nach einigen Metern stehen und drehen sich um. „Dat mutt een Verbreeker ween. Viellicht sogoor een Dootmaker.“
    24
    Nervös blättert Mohrdieck in den Akten. Zum dritten Mal nimmt er das Protokoll zur Hand. Schüttelt immer wieder unwillig den Kopf. „Stimmt nicht. Stimmt von vorn bis hinten nicht, was er uns erzählt.“
    Schütt kann die Ruhelosigkeit, den Pessimismus des Kollegen nicht teilen. Zufrieden sollte er sein, der Strebsame. Ist ihm doch in weniger als drei Wochen gelungen, was die Vorgänger in acht Monaten nicht erreicht haben: das Geständnis. Froh sollte er sein, dass der Thode nicht widerrufen hat, nachdem ihm klar geworden sein muss, wie tief er in der Tinte steckt. Und sich immer mehr um Kopf und Kragen redet mit der Schilderung gruseliger Details.
    Schütt braucht nicht das Protokoll, um sich an das gestrige Verhör zu erinnern. Wort für Wort hat es sich ihm eingeprägt:
    „Ja. Martin, Cornils und Reimer. Die hab ich in ihren Betten erschlagen. Mit der Axt. Das war so um halb zehn herum. Später, gegen zehn, meine Eltern. Die schliefen auch schon. Dann Anna und das Dienstmädchen. Nur Johann, den hab ich draußen umgebracht. Als er die Pferde ausspannte.“
    Mohrdieck will aufspringen. Den Thode am Revers packen. Ihm „Lügner!“ ins Gesicht schreien. Er widersteht der Versuchung. Zwingt sich zur Ruhe, um Timms Redeschwall nicht zu unterbrechen. Zumal er eine Taktik erkennt, mit der der Thode offenbar versucht seinen Kopf zu retten. Zu erreichen, dass ihm diese Schilderung des Tatablaufs niemand abnimmt. Wird er gar am Ende mit der Ausrede kommen, er habe nur aus Angst vor der Rache der Täter alle Schuld auf sich genommen?
    „So war es, und es ist die reinste Wahrheit.“ Timm lehnt sich zurück, wie jemand, der es seinen Widersachern gezeigt hat.
    Nun hält es Mohrdieck nicht mehr länger auf dem Stuhl. Er springt auf, hochrot im Gesicht. „Sie lügen! Versuchen uns für dumm zu verkaufen! Niemals konnten Sie in einer so kurzen Zeit …“
    Durch kurzes, unüberhörbares Räuspern gibt Schütt dem Erregten zu verstehen, ihm die nächsten Fragen zu überlassen.
    Mohrdieck nickt zustimmend: „Gern.“
    „Nach dem Kaffeetrinken, so gegen vier, holte Reimer, der Jüngste, die Kühe von der Weide und trieb sie zum Melkplatz. Er, Cornils und das Dienstmädchen haben gemolken. Martin räumte nach dem Dreschen die Große Diele auf. Sie fütterten die Schweine.“
    Timm, zunächst erschrocken über Mohrdiecks Ausbruch, nickt eifrig. „Das war so zwischen fünf und halb sechs.“
    „Gegen sieben fanden sich alle in der Küche ein. Zum Abendessen. Außer Ihren Eltern und Johann. Die waren ja unterwegs. Beim Bauern Starck.“
    „Ich war ein bisschen früher da. So gegen halb sieben. Da war die Tenzer noch da, unsere Neihkatrin. Die wollte aber nicht zum Abendbrot bleiben. Ich hab sie noch zum Tor gebracht.“
    „Das Abendbrot zog sich hin. Bis acht etwa. Was geschah dann?“
    „Ich hab meine Pfeife gestopft. Und das „Itzehoer Wochenblatt“ gelesen. Dann gingen meine Brüder schlafen.“
    „So früh? Ist das nicht ungewöhnlich?“ Schütt sieht Timm zweifelnd an.
    „O nein. Es war ein heißer Tag. Und die hatten tüchtig was geschafft. Auch Abel war hundemüde.“
    „Sie leisteten

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