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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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Hof gewiesen? Warum hat er Sie, kaum dass Sie konfirmiert waren, für neun Monate bei der Witwe Lakemann auf der Beidenflether Mühle untergebracht und später auf zahlreichen verschiedenen Hofstellen?“ Dort jagte man Sie wiederholt davon. Oder Sie türmten bei Nacht und Nebel. Und standen mehr als einmal vor der Haustür Ihres ungeliebten Vaters. Wie reimt sich das zusammen?“
    Timm ist verunsichert. Spürt, dass die Ermittler ihm die Rolle des Prügelknaben nicht abnehmen. Und dass sie über jedes Detail seiner Vergangenheit informiert sind. „Naja. Manchmal hatte ich trotz allem ein bisschen Heimweh.“
    Scharf nimmt Mohrdieck ihn ins Visier: „Wir wissen, dass man Sie von der Schafhaltung ausgeschlossen hat. Und Sie nicht an die Pferde heranließ. Uns ist auch bekannt, dass Sie gelegentlich gehänselt wurden. Als Sie aber Ihre Pinneberger Stellung verließen, nach Hause kamen und anschließend sechs Wochen krank waren, da ließ Ihr Vater alle zwei, drei Tage den Arzt kommen. Ihre Frau Mutter wachte Tag und Nacht an Ihrem Bett. Ihre Schwester Anna kümmerte sich rührend um Sie. Und selbst Ihre Brüder machten sich Sorgen. Vor allem Reimer, der ohnehin wie eine Klette an Ihnen hing. Und nun sagen Sie mir bitte: Was war der wirkliche, der wahre Grund für Ihre Tat? Nennen Sie uns endlich Ihr Motiv.“
    „Ich wollte das Geld. Ich wollte alles allein haben. Den Hof wollte ich haben. Wer den gekriegt hätte, kann ich nicht sagen. Darüber wurde nie gesprochen. Ich hätte ihn aber nicht gekriegt.“
    Grimmig nickt Mohrdieck vor sich hin. Über den Rand seiner Brille sieht er Timm ins Gesicht. „Habgier also. Nichts als reine Habgier.“
    Nach zweitägiger magerer Kost genießt Timm das Abendbrot, das Tietjens ihm in die Zelle bringt. Ein würziges Graubrot, backfrisch aus Frau Annelenes Ofen. Dazu Schinken, Mettwurst, Käse aus der Wilstermarsch, ostfriesischer Tee. Behaglich streckt er sich nach dem Essen auf dem Strohsack aus. Satt und zufrieden verdrängt er die Unannehmlichkeiten der letzten Vernehmung.
    Tietjens schließt sorgfältig die Zellentür. Vernimmt leises Summen. Hält inne, das Ohr am Schlüsselloch. Offenen Mundes hört er Timm leise vor sich hin singen:
    Wenn hier een Putt mit Bohnen steiht
    un dor een Putt mit Brie,
    denn lat ik Brie un Bohnen stahn
    un danz mit mien Marie.
    Un wenn Marie nich danzen kann,
    denn hett se scheeve Been.
    Denn treckt se lange Kleeder an,
    denn is dat nich to sehn.
    Kopfschüttelnd entfernt sich der Gefängniswärter in die Küche und stellt das Tablett in den Abwasch. „Kiek di dat an, Lene. Allens opfreeten. Un nu liggt he op’t Bett un singt.“
    Liebevoll legt Annelene die Hand auf seinen Arm. „Du makst di to veel Sorgen üm em. Gönnst di Dag und Nach keen Rooh. De in Glückstadt mööt sik wat infalln laten. Dat geiht nich an, dat een Mann alleen op een Mörder oppassen schall.“
    Tietjens umarmt sie, streicht ihr übers Haar. „Hest Recht, mien Deern. Jüst dorüm hebbt se den Ohrns ut Beidenfleth na uns affkommandeert. Vun morn fröh an deelt wi uns de Opsicht.“
    *
    Timm blickt erstaunt von seinem Frühstück auf, als Hinrich Ahrens hinter dem Gefängniswärter die Zelle betritt. Er steht auf, streckt die Hand aus, will den dörflichen Gesetzeshüter begrüßen.
    Ein Blick in das todernste, verschlossene Gesicht des Gendarms lässt ihn innehalten. Und ahnen, dass es aus ist mit der vergleichsweise rücksichtsvollen Behandlung durch den gutmütigen Tietjens.
    Ahrens, auf Veranlassung der Ermittler vom Glückstädter Obergericht beauftragt, sich sofort nach Itzehoe zu begeben behufs Verstärkung der Bewachung des geständigen Inculpanten Timm Thode, übersieht die ausgestreckte Hand. Die Nachricht vom Geständnis hat ihn schwer getroffen, wenngleich die Ermittler ihm schon vorher von dem sich verdichtenden Verdacht gegen Timm und von seiner Verhaftung berichtet hatten.
    „Ausziehen! Bis auf die Unterhose!“ schnarrt er und zieht Notizblock und Bleistift aus der Brusttasche. Verärgert beobachtet er, dass Tietjens einem geständigen Mörder beim Entkleiden behilflich ist. Breitbeinig baut er sich vor dem leicht zitternden Timm auf. Und notiert:
    Haar: fahlblond, etwas rötlich;
    Augenbrauen: des Gleichen;
    Lippen: wulstig;
    Mund: gewöhnlich offenstehend;
    Zähne: schmutzig-gelb, fast gesund;
    Ohren: mittelgroß, leicht abstehend;
    Statur: Rücken etwas krumm, Brust eingefallen,
    lange Arme und Beine, große Hände und Füße;
    Besondere

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