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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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fixiert den Inculpanten, stellt keine Ermüdungserscheinungen fest.
    „Ich habe Hunger“, antwortet Timm mit rauer, belegter Stimme.
    Mit unwirscher Handbewegung wischt Rave den Einspruch vom Tisch: „Wir auch.“
    Er muss sich eingestehen, dass dieses eine Lüge ist. Keinen Bissen hat er angerührt von den leckeren Häppchen, die das Dienstmädchen ihm mit auf den Weg gegeben hat. Vergeblich bot er sie Meindermann an, der ebenfalls keinen Appetit verspürte.
    Soll er nachgeben? Dem Häftling eine erholsame Pause und ein kräftigendes Mahl aus Annelene Tietjens‘ vorzüglicher Küche gewähren? Er schielt zum Protokollführer hinüber, der mit dem Federhalter in der Rechten abwartend am Schreibpult steht. „Wir machen weiter“, beschließt er, hoffend, dass Timms Bekennerdrang anhält und die auf zwei Tage angesetzte richterliche Untersuchung noch heute abgeschlossen werden kann.
    „Kommen wir zu Ihrem Bruder Johann. Es wurden bei der Obduktion Verletzungen festgestellt, die von verschiedenen Werkzeugen herrührten.“
    Timm spürt einen Kloß im Hals. Schon den Ermittlern gegenüber erging es ihm ähnlich, wenn die Szene im Wagenschauer zur Sprache kam, der einzige Moment, in dem er um ein Haar die Fassung verloren hätte und blindlings davongerannt wäre. Er räuspert sich, versucht in möglichst gleichgültigem Ton zu reden: „Ich sah, dass er sich noch rührte. Nach fast drei Stunden. Da habe ich ihm einige Hammerschläge versetzt, damit er sich nicht weiter quälen musste. Aber weglaufen konnte er nicht mehr.“
    „Warum schleppten Sie den Toten nicht in seine Kammer, so, wie sie es mit den anderen gemacht haben? Oder in die Scheune, wo er bis zur Unkenntlichkeit verbrannt wäre?“
    Timm hat das Gefühl, der Hals werde ihm zugeschnürt. „Ich hatte keine Kraft mehr. Johann wog mehr als zwei Zentner. Und ich hab gedacht, wenn die Scheune erst mal brennt, dann greifen die Flammen über.“
    „Da haben Sie sich verrechnet“, stellt Rave kühl fest, „die Remise wurde nur teilweise beschädigt, das Blechdach hielt einen Teil der Flammen zurück. Deshalb fanden die Helfer Johann und stellten fest, dass er erschlagen wurde wie die anderen Opfer. Und was Ihre Kraft angeht: Ihren Vater, der mindestens genauso schwer war, beförderten Sie im Laufschritt mit der Schubkarre zur Scheune und schleppten ihn später ins Haus.“
    „Aber bei Johann, da war das anders.“ Timm wischt sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. „Als er sich bewegte, wo ich doch glaubte, er wäre tot, da kam ich in Panik.“
    „In Panik?“ Auf Raves Stirn schwellen die Adern. „Als Sie Johann mit einem Hammer die endgültig tödlichen Schläge versetzten? Dann seine Leiche fledderten wie die Ihres Vaters und der anderen Brüder, nur um auch den letzten Taler zu erhaschen?“
    „Ich, ich wusste nicht mehr, was ich tat. Ich war von Sinnen. Ich …“
    Rave blickt den Inculpanten mit harten, gnadenlosen Augen an. „Sie haben weder in rasendem Zorn gehandelt, noch in kopfloser Panik. Sondern mit berechnender Überlegung. Und ohne jegliches Mitleid!“
    Timm schlägt die Hände vors Gesicht. „Nicht zuletzt. Nicht, als Johann sich bewegte und ich ihm den Rest gab. Da bin ich fast durchgedreht. Bitte, glauben Sie mir wenigstens das. Ich wär um ein Haar weggelaufen. Weg von allem.“ Schwer sinkt sein Kopf auf die auf dem Tisch verschränkten Arme.
    Rave lehnt sich zurück. Betrachtet unbewegt den schluchzenden Gefangenen. „Wache!“
    Tietjens, der in der Vorhalle die Tür zum Vernehmungszimmer bewacht hat, während Ahrens die Fensterfront sicherte, stürzt herein: „Herr Obergerichtsrat?“
    Rave weist mit müder Handbewegung auf Timm: „Nehmen Sie ihn mit. Es reicht für heute.“
    Rudolf Tietjens tippt Timm vorsichtig auf die Schulter: „Kumm, mien Jung. Kumm.“
    „Das wäre geschafft.“ Erleichtert lehnt sich Heinrich Rave in dem Bürosessel zurück, zieht genüsslich an seinem Zigarillo. Er schaut auf die große Standuhr. „Zwölf Uhr dreißig.“
    Ganze zweieinhalb Stunden hat es gebraucht, den zweiten Tag der richterlichen Untersuchung abzuschließen. Timm gab sich sichtlich Mühe, alle Fragen und Vorhalte des Kreisrichters ohne Umschweife zu beantworten. Präzise schilderte er die Brandlegung in der Scheune und an verschiedenen Orten des Hauptgebäudes, sein gründliches Bad in der Waschbalge, die Flucht vom brennenden Hof, die Vortäuschung seiner Ohnmacht im Hause Schwarzkopf. Ohne Zögern setzte er

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