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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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den Finger hob. Er hätte immer schon ein großes Interesse für einen Vergleich östlicher und westlicher Kultur gehabt und würde gerne ein ergänzendes Referat zu den beiden eben gehörten übernehmen. Ein sicher nicht beabsichtigtes Augenzwinkern verriet, dass der beflissene Ton, mit dem er seine in einen Vorschlag gekleidete Bitte vortrug, nur gespielt war. Aber Professor Wickenburg nickte zustimmend und verwies als Quelle auf eine seiner frühen Publikationen. Wegen der fortgeschrittenen Zeit, auf deren Ende einzuhalten Professor Wickenburg großen Wert legte, ließ Phillip auf der rechten wie der linken Seite jeweils nur zwei Fragen beziehungsweise Kommentare zum Thema zu. Ursulas Gedanken schweiften ab, sie musste an ihre Klassenlehrerin denken, deren Augen leuchteten und deren schwerer Busen sich vor Freude hob, wenn sie mit ihren Schülern im Leistungskurs Deutsch oder Geschichte diskutierte. Sie merkte erst wieder auf, als erneutes Stühlerücken das Ende der Proseminarstunde ankündigte. Phillip eilte an ihr vorbei, um dem Professor die Tür aufzuhalten. Der warf ihr im Hinausgehen einen flüchtigen Blick zu, nickte und verschwand.
    Phillip erschien ihr schmächtiger als bei ihrem ersten Zusammentreffen, weniger, als würde er in Ausübung seiner verantwortungsvollen Tätigkeit als Assistent von Professor Wickenburgschrumpfen. Und wo war die Nickelbrille, die er gestern im Café auf der Nase hatte? Er stellte den Hocker, auf dem Ursula gesessen hatte, zurück an seinen Platz und meinte, er müsse jetzt aufräumen. Was und wo und ob er danach noch Zeit für einen Spaziergang hatte, blieb offen. «Vielleicht sehen wir uns noch mal im Café», sagte er. «Ja, vielleicht», antwortete Ursula.
    Sie war enttäuscht. Sie hatte nicht genau gewusst, was sie erwartete, aber sie hatte sich die Uni als etwas Strahlendes, Hinreißendes vorgestellt, als einen Ort, an dem große Gelehrte wissbegierige, leidenschaftlich interessierte Studenten um sich scharten, um in ihnen das Feuer der Wissenschaften zu entfachen. Nach dieser ersten Kostprobe hatte sie das Bedürfnis, frische Luft zu atmen und ihr Kleid auszuschütteln, als hätte sich Staub in seinen Falten festgesetzt. Im Treppenhaus blieb sie vor einem Fenster stehen, auf dessen Scheiben die Tauben, deren Gurren sie vorhin gehört hatte, weiße Striemen hinterlassen hatten. Während sie auf eine Straße blickte, auf der der Nachmittagsverkehr sich staute, überfiel sie wieder dieses Ziehen in der Brust, von dem sie jetzt wusste, dass es Heimweh war. Sie verzog ihr Gesicht. Nur jetzt und hier nicht zu weinen anfangen! Sie verscheuchte die Bilder vom Jagdhaus und aus Birkenfeld und machte sich auf den Weg in den Park. Gras unter den Füßen und den Blick auf das Grün der Baumgruppen – das war, was sie jetzt brauchte.
    ***
    Nachdem sie im Englischen Garten drei Runden im Laufschritt zurückgelegt hatte, war Ursula durstig und ging in das kleine Café, weil es der einzige Ort war, den sie kannte. Es hieß «Fünfeck» und war genauso voll wie am Tag zuvor. Wieder wurde heftig diskutiert, gelacht und gestikuliert. Ursula drängte sich durch zu einem Platz in der hinteren Ecke. Hier saß sie geschützt und hatte gleichzeitigeinen guten Überblick. Sie wollte verstehen, worum es ging, was die Gemüter derart erhitzte.
    In der Mitte des Raumes stand unter einem Reif, bestückt mit blassblauen Tütenlampen, eine rothaarige junge Frau mit einer in die Hüfte gestemmten Faust. Einen Fuß hatte sie auf der Sitzfläche eines Stuhles abgestellt, mit der freien Hand schlug sie den Takt zu ihren Worten. «Rosa, erzähl alles der Reihe nach! Wir wollen genau wissen, was passiert ist», rief jemand von dem Tisch vor ihr. «Was passiert ist?» Sie warf den Kopf in den Nacken. «Vor dem Rückeingang der Uni standen Bullen, drei oder vier, ich hab sie nicht gezählt. Sie hielten mich an und einer fragte, wo ich denn hin wolle. Na, war doch ein klarer Fall: Ich wollte ins Gebäude rein, mich einschreiben. Das sagte ich denen und wühlte die ganze Zeit in meiner Handtasche, um meinen Ausweis zu finden. Nach dem hatte der Oberbulle nämlich gefragt. ‹Ich hab ihn nicht dabei›, sagte ich noch ganz freundlich. ‹Aber wenn Sie ihn unbedingt sehen wollen, kann ich ihn ja holen.› Er sah mich mit so einem schiefen Lächeln an, als hätte ich einen gelungenen Scherz gemacht.»
    Rosa nahm den Fuß vom Stuhl, um einen Schluck zu trinken. «Und wie ging’s weiter? Erzähl, wie’s

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