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Der maskierte Tod

Der maskierte Tod

Titel: Der maskierte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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uralter Zeit von einem seit langem verschwundenen Gletscher ausgehöhlt worden war. Ein besonderer Ort, ein magischer Ort, einst geschützt durch die Unschuld unserer Kindheitserinnerungen gegen all die Widrigkeiten des Lebens.
    Damals hatte ich ihn als Zufluchtsort angesehen. Als sicheren Hort. Doch diese Illusion war zerstoben, wie so viele andere, als mein Blick für die Welt klarer wurde.
    Nun stand ich nahe am Rand, genau an dem Ort, wo die Musketenkugel in meine Brust eingedrungen war, wo ich endlose Sekunden später den letzten Rest des Lebens, welches ich gekannt hatte, aushauchte, um hilflos in meinen ersten Tagesschlaf zu fallen. Sofern ich während dieser Zeit geträumt hatte oder mir die Vorgänge um mich herum irgendwie bewusst gewesen waren, so war ich froh, dass keine Erinnerungen zurückgeblieben waren, die mein Gedächtnis quälten. Diejenigen, über welche ich verfügte, waren entsetzlich genug, so sehr, dass ich mich fest an einen Baum klammern musste, um nicht unter ihrer Bürde zusammenzubrechen.
    Obwohl ich mir durchaus bewusst war, dass meine Erinnerungen und Gefühle die vor mir liegende Aufgabe erschweren würden, hatten meine Knie, lange bevor ich diesen Ort erreichte, zu zittern begonnen. Ich musste mich zwingen, einen Blick auf den wichtigsten Ort dieser Erde zu werfen, an dem ich jemals die würzige Luft Neuenglands geatmet und den warmen Schein der Sonne gefühlt hatte.
    Nichts hatte sich hier wirklich verändert, was ich eigentlich auch nicht erwartet hatte; lediglich meine Wahrnehmung hatte gelitten. Ein Kinderspielplatz war zu einem schmutzigen Loch blanken Entsetzens verdorben, und seit die Möglichkeit, dass ich ihn niemals mehr wiedersehen könnte, zur Gewissheit geworden war, hatte ich das perverse Bedürfnis entwickelt, hierher zu kommen, in der Hoffnung, die Dunkelheit abzuschütteln, indem ich mich ihr stellte. Aber als ich mich fest an den Baum klammerte, um mich aufrecht zu halten, meine Augen fest geschlossen, wurde dieser Wunsch von längst vergessenen Gefühlen übermannt. Ich hatte nicht erwartet, dass es so schlimm sein würde. Ich fühlte mich, als ob ich erstickte, kalt ... meine Hände, mein gesamter Körper zitterten, erschauerten.
    Dies war eines Dummkopfs Idee. Ein idiotischer Fehler. Eine Katastrophe. Ein ...
    Nein. Gott gebe mir Kraft, um dagegen anzukämpfen. Und ich begann, ein Gebet zu murmeln, aber ich konnte es nicht beenden. Doch es spielte keine Rolle. Die bloße Absicht zu beten, hatte einen beruhigenden Einfluss auf mich und erinnerte mich daran, dass ich mich noch immer in Gottes Hand befand.
    Das Erlebnis meines Todes war schrecklich gewesen, aber es war vorbei und vergangen. Dummkopf oder nicht, Idiot oder nicht, ich würde mich nicht einer reinen Erinnerung geschlagen geben. Mit gekrümmtem Rücken, als bereitete ich mich auf einen Schlag vor, zwang ich mich selbst, die Augen zu öffnen.
    Gras, Blätter, Zweige und Steine ordneten sich zu erkennbaren Formen, in keiner Weise anders als diejenigen, welche den Rest unseres Grundstücks bedeckten, über die man, wenn nötig, hinüberlaufen oder die man beiseite stoßen konnte.
    Dann traten Bäume in Erscheinung, und ein Stück Himmel. Hoch über mir hatten die Äste sich ineinander verschlungen. Ich starrte auf das Firmament und fühlte, wie sich mir der Magen umdrehte. Dies war nicht gut. Wenn ich hinsah, wurde mir schwindlig, wenn ich aber nicht hinsah, war ich ein Feigling. Doch ein wenig Übelkeit war ewigen Selbstvorwürfen im Nachhinein vorzuziehen; also starrte ich hin, bis meine Eingeweide und die Welt aufhörten, sich zu bewegen.
    So war es besser. Ich richtete mich auf und entdeckte, dass meine Beine mich ohne Hilfe tragen konnten. Ich ließ den Baum los, trat unsicher näher an den Rand des Kessels heran und blickte nach unten. Blickte auf die andere Seite. Blickte zu der Stelle, an der sich die Brüder Finch zusammengekauert hatten, als sie sich vor den Söldnern versteckt hatten, die nach ihnen suchten. Blickte dorthin, wo ich eine Rauchwolke aus einer Muskete, welche auf mein Herz gerichtet war, gesehen, doch die Bedeutung dieser Tatsache nicht verstanden hatte.
    Ich blickte dorthin und wartete darauf, dass die nächste Welle von Übelkeit verging. Sie schien weniger schlimm zu sein als die vorherige. Das Zittern ließ allmählich nach.
    Ich setzte mich auf den einst blutigen Fleck Erde, auf den ich damals gestürzt war. Vorsichtig. Es war mir unmöglich, mich von dem Gedanken zu befreien,

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