Der Matarese-Bund
der Mann, den er sehen wollte, war Dr. Theodore Goldman, ein Dekan an der Harvard School of Business und dem Justizministerium ein Dorn im Auge. Er war nämlich ein höchst selbstbewußter Kritiker der Behörden und behauptete ohne Unterlaß, daß das Justizministerium die Kleinen verfolgte und die Großen laufen ließ. Er war ein enfant terrible in mittleren Jahren, dem es Vergnügen bereitete, sich mit den Giganten anzulegen, weil er selbst ein Gigant war, der sein Genie hinter einer Fassade freundlicher Unschuld verbarg, die ihm niemand abnahm.
Wenn jemand das Gebilde, das sich Trans-Communications nannte, näher durchleuchten konnte, so war das Goldman.
Bray kannte den Mann nicht, war aber Goldmans Sohn vor einem Jahr in Den Haag begegnet – und zwar unter Begleitumständen, die für einen jungen Piloten in der Air Force möglicherweise gefährlich hätten sein können. Aaron Goldman hatte sich mit den falschen Leuten in der Nähe der Groote Kerk betrunken, Männern, von denen man wußte, daß sie im Auftrag des KGB die NATO infiltriert hatten. Der Sohn eines prominenten amerikanischen Juden war für die Sowjets natürlich ein gefundenes Fressen.
Ein unbekannter Abwehrbeamter hatte den Piloten von der Szene entfernt, ihn mit ein paar Ohrfeigen ernüchtert und ihm gesagt, er solle auf seinen Stützpunkt zurückgehen. Aaron Goldman hatte nach zahllosen Tassen schwarzen Kaffees seinen Dank zum Ausdruck gebracht.
»Wenn Sie einen Jungen haben, der nach Harvard möchte, dann sagen Sie mir Bescheid, wer auch immer Sie sind. Ich werde mit meinem alten Herrn reden, das schwöre ich. Wie, zum Teufel, ist denn Ihr Name?«
»Schon gut«, hatte Scofield gesagt. »Verschwinden Sie hier und kaufen Sie sich bloß kein Schreibmaschinenpapier im Coop. Unten an der Straße ist es billiger.«
»Was zum…«
»Sie sollen hier verschwinden.«
Bray sah den Telefonautomaten an der Wand; er schnappte sich sein Gepäck und ging auf den Apparat zu.
32
Er hob ein kleines, nasses Stück Zeitungspapier vom regennassen Bürgersteig und ging zu der Untergrundstation am Harvard Square. Er eilte die Treppe hinunter und verstaute seinen weichen Lederkoffer in einem Schließfach. Wenn er gestohlen wurde, würde er daraus seine Schlüsse ziehen. Der Koffer enthielt nichts, was er nicht ersetzen konnte. Er schob den nassen Papierfetzen vorsichtig unter die hintere rechte Ecke des Koffers. Später, wenn das Stückchen Papier zerdrückt oder zerrissen war, würde er daraus ebenfalls seinen Schluß ziehen können: der Koffer war durchsucht worden und die Matarese hatten ihn im Visier.
Zehn Minuten später klingelte er an Theodore Goldmans Haus an der Brattle Street. Eine schlanke Frau in mittleren Jahren mit freundlichem Gesicht und fragenden Augen öffnete.
»Mrs. Goldman?«
»Ja?«
»Ich habe Ihren Mann vor ein paar Minuten angerufen…«
»O ja, natürlich«, unterbrach sie ihn. »Aber kommen Sie doch herein, es regnet ja! Das schüttet ja wie die Sintflut. Kommen Sie herein, kommen Sie herein. Ich bin Anne Goldman.«
Sie nahm ihm Hut und Mantel ab, seinen Aktenkoffer hielt er fest.
»Ich bitte um Entschuldigung für die Störung.«
»Aber reden Sie doch keinen Unsinn. Aaron hat uns allen von jener Nacht in… Den Haag erzählt. Wissen Sie, ich habe nie so richtig verstanden, wo das eigentlich ist. Wie kann man auch eine Stadt den und noch etwas nennen?«
»Ja, das verwirrt einen etwas.«
»Ich habe den Eindruck, daß unser Sohn in jener Nacht sehr verwirrt war; womit ich als Mutter einfach ausdrücken will, daß er sternhagelbesoffen war.« Sie deutete auf eine Doppeltüre, wie sie in alten Häusern in New England häufig zu finden war. »Theo telefoniert gerade und versucht, sich gleichzeitig einen Drink zu mixen; das bringt ihn völlig durcheinander. Er haßt das Telefon und seinen Abenddrink liebt er heiß und innig.«
Theodore Goldman war nicht viel größer als seine Frau, aber an ihm war irgend etwas, das ihn viel größer erscheinen ließ als er eigentlich war. Es war ihm unmöglich, seinen Intellekt zu verbergen. So nahm er seine Zuflucht zum Humor und setzte den ein, um seinen Gästen – und ohne Zweifel auch seinen Kollegen – die Verlegenheit zu ne hmen.
Sie saßen in drei Ledersesseln vor dem Kaminfeuer. Die Goldmans tranken ihre Cocktails, während Bray um einen Scotch gebeten hatte. Draußen fiel schwer der Regen und trommelte gegen die Fensterscheiben. Die Darstellung der Eskapade ihres Sohnes in Den Haag war
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