Der Matarese-Bund
Hand, aus seinem Sessel auf. Schon am Anfang seiner Tätigkeit bei der NSA hatte er gelernt, daß man sich am besten unter Kontrolle hielt, indem man sich während eines Augenblicks der Krise körperlich bewegte. Diese Fähigkeit war der Schlüssel zu seinem Beruf. Zumindest mußte es so aussehen. Er hörte zu, wie ihm ein sehr ärgerlicher Außenminister die gegenwärtige Krise klarmachte.
Verdammt, er stand unter Kontrolle.
»Ich habe mich gerade privat mit dem sowjetischen Botschafter getroffen. Wir sind beide der Ansicht, daß der Zwischenfall nicht an die Öffentlichkeit dringen darf. Das wichtige ist jetzt, daß wir Scofield herholen.«
»Sind Sie sicher, daß es Scofield war, Sir? Ich kann es einfach nicht glauben!«
»Wir müssen es annehmen, falls er keine unwiderlegbaren Beweise vorbringen kann, daß er in den letzten achtundvierzig Stunden tausend Meilen weit entfernt war. Kein anderer Mann im Abwehrdienst hätte so etwas getan. Es ist undenkbar.«
Undenkbar? Unglaublich. Die Leiche eines Russen, die auf dem Rücksitz eines Yellow Cab um 8.30 Uhr morgens durch das Tor der sowjetischen Gesandtschaft geliefert wurde, und ein Fahrer, der überhaupt nichts wußte. Außer, daß er zwei Betrunkene aufgenommen hatte, nicht einen – obwohl einer von den beiden in einem besonders schlimmen Zustand war. Was zum Teufel war aus dem anderen geworden? Der eine, der wie ein Rußki klang, einen Hut und eine dunkle Brille trug, sagte, daß das Tageslicht nach einer durchzechten Nacht für ihn zu hell wäre. Wo war er? Der Bursche auf dem Rücksitz – war er auch in Ordnung? Er sah übel aus.
»Wer war der Mann, Mr. Secretary?«
»Ein sowjetischer Abwehroffizier, der in Brüssel stationiert war. Der Botschafter war ganz offen. Das KGB hatte keine Ahnung, daß der Mann sich in Washington aufhielt.«
»Ein Überläufer?«
»Dafür gibt es keinerlei Beweise.«
»Was verbindet dann diesen Mann mit Scofield? Wenn man einmal von der Liefermethode absieht.«
Der Außenminister überlegte eine Weile und antwortete dann, wobei er jedes Wort abwog. »Sie müssen verstehen, Mr. Congdon, daß der Botschafter und ich eine besondere Beziehung haben, die über einige Jahrzehnte reicht. Wir sind zueinander häufig eher offen als diplomatisch. Immer unter der Vereinbarung, daß keiner damit offizielle Stellungnahmen abgibt.«
»Ich verstehe, Sir«, sagte Congdon und begriff, daß er sich nie offiziell auf die Antwort würde beziehen können, die er jetzt bekommen würde.
»Der fragliche Abwehroffizier war vor ungefähr zehn Jahren Mitglied einer KGB-Einheit in Ost-Berlin. Ich nehme angesichts Ihrer letzten Entscheidungen an, daß Sie Scofields Akte kennen.«
»Seine Frau?« Congdon setzte sich wieder. »Der Mann gehörte zu den Mördern von Scofields Frau?«
»Der Botschafter hat sich nicht auf Scofields Frau bezogen. Er erwähnte nur die Tatsache, daß der Tote vor zehn Jahren Mitglied einer relativ autonomen Abteilung des KGB in OstBerlin gewesen war.«
»Diese Abteilung wurde von einem Mann namens Taleniekov geleitet. Er gab die Befehle.«
»Ja«, sagte der Außenminister. »Wir haben uns ziemlich ausführlich über Mr. Taleniekov und den Zwischenfall, der sich einige Jahre später in Prag ereignete, unterhalten. Wir haben nach der Verbindung gesucht, die Sie gerade in Erwägung gezogen haben. Es kann sein, daß es sie gibt.«
»Wieso, Sir?«
»Wassili Taleniekov verschwand vor zwei Tagen.«
»Verschwand?«
»Ja, Mr. Congdon. Denken Sie darüber nach. Taleniekov erfuhr, daß er offiziell in den Ruhestand versetzt werden sollte, tauchte unter und verschwand.«
»Scofields Vertrag ist gekündigt worden…« Congdon sprach ganz leise, so, als führte er ein Selbstgespräch.
»Genau«, pflichtete der Außenminister ihm bei. »Die Parallelität ist es, die uns im Augenblick Sorgen macht. Zwei pensionierte Spezialisten, die jetzt darauf aus sind, das zu tun, was sie offiziell nicht tun konnten: Einander töten. Sie haben überall Kontakte, Männer, die ihnen aus einer Vielzahl von Gründen ergeben sind. Ihr persönlicher Rachefeldzug könnte während dieser ungemein wichtigen Monate des Ausgleichs beiden Regierungen Probleme ungeahnten Ausmaßes bescheren. Das darf nicht geschehen.«
Der Direktor von Cons Op runzelte die Stirn. An den Schlüssen, die der Außenminister zog, stimmte etwas nicht. »Ich habe selbst vor drei Tagen mit Scofield gesprochen. Er schien nicht von Wut oder Rachedurst oder dergleichen getrieben.
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