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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Tür legen. Aber seid vorsichtig. Habt Dank.«
    Sie grüßten und verschwanden.
    Ich blickte auf und stutzte. Vor mir stand Hinz. An ihn hatte ich gar nicht mehr gedacht. »Danke, dass du mir das Essen getragen hast«, sagte ich. »Grüße Muhme Lenchen von mir.«
    »Das werde ich«, antwortete er und blieb unschlüssig stehen.
    »Ist noch etwas?«, fragte ich.
    »Tja … hm.«
    »Was ist es? Heraus mit der Sprache.«
    »Sie meinten, es wär Euch sicher recht.«
    »Herr im Himmel, wovon redest du?«
    »Das können sie Euch am besten selbst sagen. Da kommen sie.« Hinz wirkte erleichtert und deutete zum Nebenraum.
    Ich erblickte Eustach und Meister Karl, die aus de Berkas Behandlungsraum kamen. »Das war die einzige Möglichkeit«, sagte Eustach.
    Meister Karl nickte ernst.
    Ich sah sie verständnislos an.
    Eustach sagte entschuldigend: »Ihr habt zu mir gesagt, Ihr verlasst Euch darauf, dass ich einen Ort finde, an dem der Mann gepflegt wird. Nun, ich habe ihn gefunden.«
    Ich brauchte einen Augenblick, um die Situation zu erfassen. »Willst du damit sagen, dass du den Kranken, der auf deinem Karren war, in den Behandlungsraum getragen hast?«, fragte ich.
    »Jawohl, Herr.«
    »Bist du von Sinnen!« Noch am Morgen hatte ich mit de Berka nur einen Todgeweihten im Haus gehabt, jetzt hatte ich deren drei. Es war unmöglich, sie alle zu pflegen.
    Eustach schob die Pestkappe hoch und fuhr sich in die weißen Haarbüschel. »Verzeihung, Herr, versteht mich nicht falsch. Es steckt noch ein Funke Leben in ihm, und die Hospitäler sind voll.«
    »Ich kann mich nicht um ihn kümmern!«
    »Wenn er über Nacht stirbt, hole ich ihn morgen früh ab. Dann seid Ihr ihn los.«
    »Ich will ihn nicht los sein, ich will …« Ich hielt inne. Ein überwältigendes Gefühl der Schwäche ergriff mich. Die Gesichter um mich herum begannen zu wabern, die Halle begann sich zu drehen. Ich suchte Halt und fand ihn nicht.
    Dann sah ich, wie mir der Boden entgegenstürzte.

Kapitel 11
    Erfurt,
19 . bis 29 . Mai 1505
    I ch kam zu mir, weil mir jemand mit der flachen Hand auf die Wange klopfte. »Herr, könnt Ihr mich hören?«
    »Ja«, krächzte ich, »ja, gewiss.«
    Ich öffnete die Augen und blickte in eine Pestmaske. Ich erschrak und begriff im ersten Moment nichts. Dann erkannte ich Eustach, der über mir kniete und die Maske hielt.
    »Kein Wunder, dass Ihr umgefallen seid, Herr«, sagte er. »Ich könnte keine drei Atemzüge unter dem Ding machen.«
    Hinz trat in mein Blickfeld. »Geht es Euch besser, Herr?«, fragte er.
    Bevor ich antworten konnte, tauchte plötzlich der Kopf von Meister Karl auf. Er deutete mit seinem langen Finger auf meine Stirn.
    Ich fasste dorthin. Eine dicke Beule hatte sich an der Stelle gebildet. Sie schmerzte abscheulich, doch ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Ihr seid umgefallen, Herr«, sagte Hinz.
    »Ganz plötzlich«, setzte Eustach hinzu und legte die Maske beiseite. »War wohl alles ein bisschen viel für Euch. Ich hatte schon Angst, Ihr erstickt unter dem Ding, aber dann hab ich’s doch von Eurem Kopf runterbekommen.«
    »Danke.«
    Meister Karl zog ein Messer aus dem Gürtel und drückte die Klinge gegen meine Beule.
    »Was soll das?«, fragte ich, aber Meister Karl konnte mir keine Antwort geben. Er war ja stumm. Dann merkte ich, wie kühl und lindernd die Klinge auf der gespannten Haut wirkte. »Danke«, sagte ich nochmals. »Ich stehe gleich auf.«
    Doch es dauerte noch eine Weile, bis ich stark genug war, um mich mit Hilfe der Männer aufrappeln zu können. Als ich wieder stand, fragte ich: »Worüber sprachen wir eigentlich, bevor das, äh, passiert ist?«
    Eustach antwortete: »Ihr sagtet gerade, Ihr könntet Euch nicht um ihn kümmern.«
    »Um wen?«
    »Um den Mann, der zwischen den Toten auf meinem Karren lag.«
    »Ach ja.« Mir fiel alles wieder ein. »Du meinst den Mann, den du eigenmächtig in den Behandlungsraum geschafft hast. Es bleibt dabei: Ich kann nichts für ihn tun. Ich habe schon die Verantwortung für den Professor und die Frau übernommen. Mehr ist nicht möglich. Dies ist kein Hospital.«
    Die drei blickten betreten.
    Hinz sagte: »Ich könnte Euch bei der Pflege helfen.«
    »Unsinn«, fuhr ich ihn an. »Du musst nach Hause, deine Großmutter wartet auf dich.«
    »Nehmt’s mir nicht übel, Herr, aber sie ist nicht meine Großmutter. Ich kenne meine Großmutter gar nicht. Und meine Eltern auch nicht. Muhme Lenchen fand mich als

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