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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ist nicht da.«
    »Dann holt ihn herbei.«
    »Er ist im Schloss.«
    »Wie ich bereits sagte: Dann holt ihn herbei. Oder lasst ihn holen.«
    »Gar nichts werde ich, bevor ich die Person, die Ihr als Prinzessin ausgebt, gesehen habe.«
    »Gut. Dann kommt mit hinaus.« Ich packte den störrischen Kerl beim Arm und zog ihn zur Tür. »Odilie«, rief ich laut, »dieser Schreiberling behauptet, Kaspar von Edingen sei zurzeit im Schloss. Und er will nicht glauben, dass du die Tochter von Kurfürst Philipp bist.«
    »So, will er das nicht?« Odilie warf den Kopf in den Nacken. »Dann sag ihm, dass ihm das noch leidtun wird. Es sei denn, er macht sich zum Überbringer der frohen Botschaft, dass ich heil und gesund zurück bin.«
    Der Kerl blickte von Odilie zu mir und von mir wieder zu Odilie, riss den Mund auf und wusste ganz offenkundig nicht, wie er sich verhalten sollte.
    »Nun macht schon, lauft zum Schloss und richtet aus, Prinzessin Odilie würde darauf warten, dass man sie abholt.«
    Endlich kam Leben in den Schreiberling. So schnell ihn seine Beine trugen, eilte er die Treppenstufen hinunter und lief zur rückwärtigen Seite des Gebäudes, von wo aus die Straße schnurgerade den Hügel hinauf zum Schloss führte.
    Einige der Umstehenden riefen: »Es ist die Prinzessin, Leute! Es scheint tatsächlich die Prinzessin zu sein!« Sie zogen die Mützen und beugten das Knie. Doch Odilie war nicht nach Respektsbekundungen zumute. Sie nahm mich bei der Hand und eilte mit mir zur hinteren Fassade. Die eifrig tratschenden Bürger folgten uns auf dem Fuße.
    »Störe dich nicht an dem aufdringlichen Volk, meine Prinzessin«, sagte ich. »Es geht ihm nur um das Spektakel. Wir schreiben heute Samstag, den zwanzigsten April, und du wirst nach über drei Wochen endlich deine Familie wiedersehen. Nur das zählt.«
    »Ja«, sagte sie und blickte unverwandt die Straße zum Schloss hinauf. »Wer wohl kommt, um mich zu begrüßen? Ich kann es kaum erwarten. Es gibt ja so viel zu erzählen!«
    »Ich freue mich für dich.«
    Doch sie hörte meine Worte nicht. Sie war viel zu aufgeregt. Wie ein kleines Mädchen hüpfte sie von einem Bein aufs andere, und während sie wartete, wuchs die Menge der Neugierigen immer mehr an. Nach einer kleinen Ewigkeit bildete sich am Ende der Straße eine Staubwolke, die rasch größer wurde und sich als kurfürstliche Kutsche entpuppte.
    »Das müssen sie sein!«, rief Odilie und winkte.
    Die Kutsche hielt. Zwei Lakaien sprangen von den Trittbrettern herunter und klappten eine Treppe aus. Die Tür öffnete sich. Ich erkannte Adam Wernher von Themar und hinter ihm einen zweiten Mann, den ich für Kaspar von Edingen hielt.
    »Prinzessin Odilie!«, rief von Themar. »Seid Ihr es wirklich?«
    »Ja, ich bin es!«, rief Odilie zurück und schaute mich fragend an.
    »Na los, lauf schon zu ihm, worauf wartest du noch«, sagte ich und gab ihr einen aufmunternden Klaps.
    Und sie lief. Wie ein blonder Wirbelwind rannte sie auf von Themar zu, der sich mehrmals tief verbeugte und sodann einen Handkuss andeutete. Von Edingen tat es ihm mit ernster Miene gleich. Lebhaft redete sie auf beide Herren ein, lachte, scherzte und gestikulierte. Von Themar ließ sich eine mantelförmige, mit Goldfäden durchsetzte Schaube reichen, die er ihr ritterlich um die Schultern legte. Ein strahlendes Lächeln dankte es ihm. Sie redete weiter, schien das Erlebte zu schildern, schien die bestürzten, Anteil nehmenden Gesichter der Herren zu genießen und die Situation in jeder Beziehung auszukosten. Ja, meine Prinzessin wirkte in diesem Augenblick überaus glücklich und zufrieden, und es bestand kein Zweifel, dass sie in ihrer eigenen adligen Welt zurück war.
    Ich hatte genug gesehen. Meine Mission war erfüllt. Eine Belohnung dafür zu beanspruchen war für mich unvorstellbar. Ich hatte den Fettwanst Steisser einen Judas geziehen, weil er mir Geld für Thérèse angeboten hatte, und ich wusste, ich wäre um keinen Deut besser, wenn ich Geld für die Zeit mit Odilie annehmen würde. Nein, ich wollte kein Judas sein. Ich wollte meine kleine Prinzessin nicht verraten.
    Ich drehte mich um und lief mit Schnapp in die Stadt zurück.

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    Teil 2
Der Studiosus
    Kapitel 7
    Erfurt,
5 . und 6 . September 1504
    A n einem der letzten schönen Sommertage bezog ich meine Kammer in einer Erfurter Burse. Es war ein spartanisches Quartier, klein, karg und wenig einladend, doch ich war froh, es überhaupt erobert zu haben. Der Grund für die

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