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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Schäfer kaufte er sich eine Decke aus Schaffellen, in die er sich zum Schlafen einwickelte. Zum Waschen war es zu kalt, und die schlecht gegerbten Tierhäute verstärkten seinen Gestank noch.
    Er war zerschlagen von den Anstrengungen der Reise, als er schließlich eines Morgens Saragossa erreichte.
    »Kennt Ihr den Medicus dieser Stadt? Einen Mann namens Fierro?« fragte er einen Mann, der auf der plaza mayor Holz auf einen Eselskarren lud.
    »Ja, natürlich«, sagte der Mann und musterte ihn furchtsam. Jona wurde zurückgeschickt vor die Tore der Stadt, zu einem kleinen, abgelegenen Gehöft, an dessen Zufahrt er bereits unwissentlich vorbeigeritten war. Ein Stall war an die hacienda angebaut, aber bis auf ein Pferd, das die spärlichen, winterlich braunen Grashalme abweidete, war kein Tier zu sehen.
    Eine Frau antwortete auf sein Klopfen. Der Duft frisch gebackenen Brotes strömte aus der Tür, die sie nur einen Spaltbreit öffnete, so daß Jona nicht mehr von ihr sah als die Hälfte eines freundlich bäuerlichen Gesichts, die Rundung einer Schulter, die Wölbung einer Brust. »Ihr wollt zum Arzt?«
    »Ja.«
    Nuño Fierro war ein Mann mit schütteren Haaren, einem dicken Bauch und ruhigem, nach innen gewandtem Blick. Obwohl der Himmel bedeckt war, kniff er die Augen zusammen, als würde er in die Sonne schauen. Er war älter als sein Bruder Manuel. Seine Nase war gerade, und auch ansonsten hatte er wenig Ähnlichkeit mit dem Waffenschmied, der lebenssprühender und kerniger gewesen war. Erst als er dann das Haus verließ und Jona genauer hinsah, kam ihm doch einiges bekannt vor – die Art, wie er den Kopf hielt, der Gang, die Mienen, die über sein Gesicht huschten.
    Stumm und betroffen stand er da, als Jona ihm vom Ableben seines Bruders berichtete.
    »Ein natürlicher Tod?« fragte er schließlich.
    »Nein. Er wurde getötet.«
    »Ermordet, sagt Ihr?«
    »Ja, ermordet... und beraubt«, fügte Jona unvermittelt hinzu. Es lag kein Vorbedacht in der Entscheidung, diesem Mann das Geld seines Bruders nicht zu geben, sondern nur das plötzliche, blendende Wissen, daß er es nicht tun würde. Er ging zu seinem Esel und band den Sack mit den chirurgischen Instrumenten los.
    Nuño Fierro öffnete die Truhe und strich über die Skalpelle, Sonden und Klammern.
    »Er hat jedes einzelne Stück selbst angefertigt. Mich hat er ein paar polieren lassen, aber gemacht hat er sie alle selbst.«
    Zärtlich und versunken in seiner Trauer berührte der Arzt diese wenigen Dinge, die sein Bruder für ihn angefertigt hatte. Dann sah er Jona an. Und bemerkte offenbar die Spuren, die der lange Ritt hinterlassen hatte. Wahrscheinlich, dachte Jona, riecht er mich auch.
    »Ihr müßt ins Haus kommen.«
    »Nein.«
    »Aber Ihr müßt...«
    »Nein, vielen Dank. Ich wünsche Euch alles Gute«, sagte Jona barsch, ging zu seinem Araber und schwang sich in den Sattel.
    Er zwang sich, die Tiere im Schritt gehen zu lassen, während Nuño Fierro im Staub stand und ihm verwundert nachblickte.
    Jona ritt weiter nach Norden, ohne recht zu wissen, wohin.
    Der Arzt war ein alter Mann, sagte er sich, und ganz offensichtlich wohlhabend. Er hatte das Vermögen seines Bruders nicht nötig.
    Im selben Moment erkannte Jona, daß er, ohne sich je der Versuchung bewußt gewesen zu sein, schon lange über das Geld nachgedacht hatte. Er hatte begriffen, daß dieser Schatz ihn aller Sorgen entheben würde.
    Warum nicht? Offensichtlich hatte Gott ihm dieses Gold geschickt. Der Unergründliche hatte ihm eine himmlische Botschaft gesandt, eine Botschaft der Hoffnung.
    Nach einer Weile im Sattel, der sich inzwischen anfühlte wie eine zweite Haut auf seinem Hintern, wurde ihm schwindlig von dem Gedanken an die Möglichkeiten, die ihm das Gold eröffnete, von den Überlegungen, wohin er sich wenden wollte, um sich damit ein neues Leben zu erkaufen.
    Froh darüber, bald wieder in der tröstenden Sicherheit der Berge zu sein, ritt er durch ein Vorgebirge, doch in dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Eine dünne Mondsichel stand am Himmel und dieselben Sterne, die ihn beschienen hatten, als er noch Schäfer war. Auf einer Lichtung auf einem bewaldeten Hügel machte er ein Feuer und saß dann da und starrte in die Flammen, in denen er viele Dinge sah.
    Das Geld bedeutete Macht.
    Das Geld würde ihm ein gewisses Maß an Sicherheit erkaufen. Ein wenig Schutz.
    Doch im kühlen Licht des frühen Morgens stand er auf und scharrte, leise fluchend wie ein peón, Erde über die

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