Der Meister und Margarita
Sinn kam. Sie zertrümmerte die Gummibaumtöpfe in dem Zimmer, in dem der Flügel stand. Doch bevor sie damit fertig war, kehrte sie ins Schlafzimmer zurück, zerschlitzte mit einem Küchenmesser die Laken und zerschlug die verglasten Fotografien. Sie spürte keine Müdigkeit, nur der Schweiß rann in Bächen an ihr herunter. Währenddessen saß darunter in der Wohnung Nr. 82 das Hausmädchen des Dramatikers Quant in der Küche, trank Tee und horchte verständnislos auf die Schritte, das Klirren und Poltern von oben. Sie hob den Kopf zur Decke und sah plötzlich die weiße Farbe sich vor ihren Augen in ein leichenhaftes Hellblau verwandeln. Der Fleck wurde zusehends größer, und plötzlich schwollen Tropfen hervor. Ein paar Minuten saß das Hausmädchen da und bestaunte diese Erscheinung, bis endlich von der Decke ein richtiger Regen auf den Fußboden pladderte. Da sprang sie auf und Stellte eine Schüssel unter, was indes nicht half, da der Regen eine immer größere Fläche berieselte und den Gasherd und den Tisch mit dem Geschirr zu überfluten begann. Da schrie das Hausmädchen auf, lief zur Wohnung hinaus, hastete die Treppe hinauf, und alsbald begann es in Latunskis Wohnung zu klingeln.
"Aha, sie läuten schon ... Ich muß allmählich weg", sagte Margarita. Sie setzte sich auf den Besen, horchte aber noch auf die Frauenstimme, die durchs Schlüsselloch schrie: "Aufmachen, aufmachen! Dussja, mach auf! Ist bei euch ein Hahn offen? Bei uns läuft's durch!"
Margarita flog einen Meter aufwärts und hämmerte auf den Kronleuchter ein. Zwei Birnen platzten, Anhängsel spritzten nach allen Seiten. Das Rufen am Schlüsselloch verstummte, auf der Treppe erscholl Getrappel. Margarita schwebte zum Fenster hinaus und stieß mit dem Hammer von außen die Scheiben ein. Sie zerklirrten, und längs der marmorverkleideten Hauswand prasselte eine Scherbenkaskade nieder. Margarita flog zum nächsten Fenster. Tief unter ihr eilten Leute über den Gehsteig, einer der beiden Wagen vor der Haustür hupte und fuhr davon. Nachdem Margarita mit Latunskis Fenstern fertig war, schwebte sie zur Nachbarwohnung. Dichter fielen die Schläge, Klirren und Krachen füllte die Gasse. Aus dem ersten Aufgang kam der Portier gelaufen, schaute herauf, zögerte einen Moment, denn er wußte offenbar nicht, was zu tun sei, setzte die Pfeife an den Mund und pfiff wie rasend. Deshalb zertrümmerte Margarita das letzte Fenster im achter! Stock besonders schwungvoll, glitt dann nieder zum siebenten Stock und begann auch hier, die Scheiben einzustoßen.
Der Portier, zermartert von der langen Untätigkeit hinter der Glastür, legte seine ganze Seele in das Pfeifen, wobei er Margarita genau beobachtete und ihr gleichsam die Begleitmusik spielte. In den Pausen, wenn sie von einem Fenster zum nächsten flog, holte er Luft, und bei jedem ihrer Schläge stieß er mit aufgeblasenen Wangen seine Pfiffe aus, die die nächtliche Luft bis hinauf zum Himmel durchbohrten.
Seine Bemühungen im Verein mit den Bemühungen der rasenden Margarita zeitigten sehr wesentliche Ergebnisse. Im Hause brach eine Panik aus. Die noch unversehrten Fenster wurden aufgerissen, Köpfe erschienen und verschwanden gleich wieder, und umgekehrt wurden die offenen Fenster geschlossen. In den Fenstern der Häuser gegenüber erschienen vor dem erleuchteten Hintergrund die dunklen Silhouetten von Menschen, die zu ergründen suchten, warum im neuen Gebäude der Dramlit ohne jeden Anlaß die Fensterscheiben zu Bruch gingen. In der Gasse strömte das Volk zum "Haus der Dramlit", und im Hause, auf den Treppen erscholl das Getrappel von Leuten, die ohne jeden Sinn und Verstand hinauf- und hinunterliefen. Quants Hausmädchen schrie den Hastenden zu, bei ihnen sei alles überschwemmt, und bald schloß sich ihr das Hausmädchen der Chustows an, die in Nr. 80 unter den Quants wohnten. Bei den Chustows regnete es in der Küche und in der Toilette von der Decke. Zu guter Letzt löste sich bei den Quants in der Küche eine riesige Stuckplatte von der Decke, zertrümmerte das gesamte schmutzige Geschirr und bewirkte einen regelrechten Platzregen, der sich aus den Lücken des herabhängenden nassen Stuckpergels ergoß wie aus einem Eimer. Da setzte auf der Treppe des ersten Aufgangs Gebrüll ein. Margarita flog am vorletzten Fenster des dritten Stocks vorüber und erblickte einen Mann, der sich in Panik eine Gasmaske aufstülpte. Margarita stieß mit dem Hammer die Scheibe ein, scheuchte ihn auf, und er
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