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Der Meisterdieb und seine Feinde

Der Meisterdieb und seine Feinde

Titel: Der Meisterdieb und seine Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Parkplatz war fast leer. Nur ein weißer Mercedes
— der größte und neueste seiner Art — stand nahe der Mauer.
    Sieglinde Faistläber saß hinter
dem Lenkrad und blickte durch Brille und geschlossenes Seitenfenster zu Tim.
    Noch bevor er am Wagen war,
betätigte sie die Zentralverriegelung. Eine Hand war am Zündschlüssel, die
andere lag auf dem Lenkrad.
    Sieglinde hat Fracksausen,
dachte er, und ist startbereit. Er grinste wie ein Bildschirm-Kasper, der
Quiz-Gewinne verkündet. Und beugte sich zur Scheibe.
    „Kann ich helfen, Frau
Faistläber? Springt der Wagen nicht an?“
    „Alles in Ordnung“, erwiderte
sie durchs geschlossene Fenster.
    „Warten Sie auf jemanden?“
    „Ich hoffe, dass ihr bald weg
seid.“
    „Aha! Sie wollen noch aufs Grab
spucken.“
    „Und wenn — das ist meine
Sache.“
    „Aber ja. Wir machen auch
gleich Schluss. Im Übrigen sind wir keine Straftäter. Das war nur ein Spaß. Wir
sind Schüler der Internatsschule. Meine Freundin ist die Tochter von
Oberkommissar Glockner. Hier auf dem Friedhof sind wir in detektivischer
Absicht. Weil hier ein Typ sein Unwesen treibt. Er stiehlt die frischen
Blumensträuße von den Gräbern und verkauft sie unter der Hand. Haben Sie ihn
gesehen?“
    Sie öffnete das Fenster einen
Spalt. „Ich? Nein.“
    „Da war eben ein Mann am Tor.“
    „Ach, der? Ja, den habe ich
bemerkt. Er hatte ein Fernglas.“
    „Können Sie ihn beschreiben?“
    „Ich bin an ihm vorbeigelaufen,
weil ich Angst hatte — vor euch.“
    „Völlig zu Unrecht. Wir sind
die bravsten Kids in der Stadt. Wie sah er aus?“
    „Genauer habe ich ihn erst
gesehen, als er in seinen Wagen stieg.“
    „Und?“
    „Ich glaube, es war ein
schwarzer Audi.“
    „Und der Mann?“
    „Ist groß, wirkt stark, könnte
etwa 40 sein. Haarfarbe weiß ich nicht. Sein Gesicht — hart, würde ich sagen.
Kein Geistesarbeiter, keiner, der hinterm Schreibtisch sitzt. Eher einer vom
Außendienst, der sich körperlich einsetzt.“
    „Super! Vielen Dank! Wollen Sie
wirklich noch zum Grab?“
    „Eigentlich nicht. Vielleicht
sollte ich mein Ritual ( Brauch ) mal ausfallen lassen. Ich weiß ja, dass
ich ihn hasse.“
    „Vergessen Sie ihn! Dann haben
Sie sich von ihm befreit. Schönen Tag noch!“
    Sie fuhr ab. Tim lief zu seinen
Freunden zurück. Dort wurde nicht mehr gearbeitet. Gaby hatte sich die Kapuze
übers Goldhaar gezogen, Klößchen suchte die letzten Schoko-Krümel aus der
Tasche, Karl wanderte von Grab zu Grab und las die Inschriften.
    Tim berichtete. „Ich befürchte,
der Typ hat uns schon ‘ne Weile beobachtet. Ist ja krankhaft, diese Vorsicht.
Wenn schon Grabpflege verdächtig ist, was soll dann noch Vertrauen einflößen.
Jedenfalls bringt es null, wenn wir hier rumlauern. Deshalb nehmen wir das Geld
mit. Das heißt, ich nehme es an mich. In die Blechschachtel legen wir einen
Zettel. Mit meinem Namen, meiner Handy-Nummer und der Internats-Telefonnummer.
Und dem Hinweis, dass ich das Geld gegen 20 Prozent Finderlohn rausgebe. Mal
sehen, was dann passiert.“
    „Zwanzig Prozent sind Wucher“,
meinte Klößchen. „Oder 1260 Euro“, rechnete Karl aus.
    Gaby machte ein bedenkliches
Gesicht. „Vielleicht kaufen die Erpresser uns ab, dass wir das Geld zufällig
gefunden haben. Aber sie könnten auch wissen, was Sache ist. Möglicherweise
haben sie beobachtet, wie wir Lucias Vater gefolgt sind. Eben bist du
abgezischt, Tim, wie ein wilder Stier. Das sah nicht nach Hallo-wir-haben-was-gefunden
aus, sondern nach gleich-krieg-ich-dich-du-Verbrecher.“ Tim nickte. „Ich teile
deine Bedenken, Pfote. Aber versuchen müssen wir’s trotzdem. Oder gibt’s einen
besseren Vorschlag? Also, Karl, bitte Zettel und Kugelschreiber!“ Der Computer-Experte
kramte in seinem City-Rucksack. „Da fällt mir ein: Sagte ich euch schon, dass
ich heute Abend nicht dabei bin, falls sich was tut. Meine Eltern bestehen
darauf, dass ich mitgehe — in die Oper, ‘ne Premiere. Von La Traviata.“
    „Hört sich gut an“, meinte
Klößchen.

7. Wenk belauscht die Verschwörung
     
    Jean-René Wenk, genannt
Meisterdieb, war begeistert. So hatte er sich den ersten Tag in der
Millionenstadt, die er nun vielfältig heimsuchen wollte, nicht vorgestellt:
Trotz des anfänglichen Schocks bei der Begegnung mit Helga. O ja, diese tolle
Blondine hatte ihm gezeigt, dass nicht nur einer wie er im kriminellen
Zwielicht was leistet.
    Sie bewohnte einen kleinen
Bungalow am Stadtrand. Wenk war bei ihr eingezogen. Dass sie ein

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