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Der Meisterdieb und seine Feinde

Der Meisterdieb und seine Feinde

Titel: Der Meisterdieb und seine Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ab,
eine östlich, eine westlich: die Anbindung zu stadtnahen Dörfern im Umland.
Gemütlich joggend, beträgt die Entfernung zwischen Schule und Stadtgrenze etwa
20 Minuten. Mit dem Bike geht es schneller, mit dem Wagen wie im Fluge.
    Tim hatte die Briefumschläge
mit dem Geld in die Innentaschen seiner Windjacke gesteckt. Ab und zu fühlte er
danach. Nicht auszudenken, wenn er die eine oder andere Summe verlor.
    Auf der Chaussee war es dunkel.
Es gibt zwar Laternen, aber meistens brennen die nicht. Trotzdem kein Problem
für die Jungs. Sie kennen jede Kurve wie den Verlauf ihrer Handlinien. Mit
geschlossenen Augen hätten sie den Weg gefunden.
    Tim überlegte. Die graue
Gestalt mit dem Fernglas — seit wann hatte der Typ sie beobachtet? Wie viel
konnte er sich zusammenreimen? Traf Gabys Befürchtung zu?
    Vor Tim flog ein großer Vogel
auf, rabenschwarz im Licht der Fahrradlampe. Eine Krähe? Eine Dohle? Der
Gefiederte schwebte zwischen die Bäume. Der Flügelschlag zitterte in der
Abendluft wie reißendes Seidenpapier.
    Klößchen, der hinter Tim fuhr,
rief: „Wahrscheinlich gibt es Hering in Rahmsoße. Wir haben Freitag.“
    „Hering gab’s vorige Woche.
Vielleicht kriegen wir Thunfisch.“
    „Lieber so ein Abendessen als
gar kein Abendessen.“
    In diesem Moment hörte Tim den
Wagen. Er fuhr in dieselbe Richtung, kam hinter ihnen und näherte sich rasch.
    Tim hielt sich hart rechts,
dicht neben dem Chausseegraben.
    Das Scheinwerferlicht strahlte
an Tim vorbei, warf seinen verzerrten Schatten gegen die Bäume.
    Der Wagen drehte auf, war jetzt
auf gleicher Höhe mit Klößchen.
    Einer unserer Pauker, fuhr es
Tim durch den Kopf, ist das nicht. Der TKKG-Häuptling blickte über die linke
Schulter hinter sich. Für eine Sekunde wurde er geblendet. Aber sofort
erloschen die Scheinwerfer und der Wagen — eine geballte Masse in Schwarz —
schoss auf Tim zu.
    Es ging um eine Zehntel-,
vielleicht nur eine Hundertstel-Sekunde. Keine Überlegung war möglich. Nur
Instinkt. Tim warf sich nach rechts. Gleichzeitig schrie er auf, unartikuliert,
um Klößchen zu warnen.
    Trotz des Ausweichmanövers
wurde der TKKG-Häuptling touchiert, ein fast sanftes Streifen am Arm. Die
Berührung galt nur dem Stoff der Jacke — trotzdem: Zusammen mit dem eigenen
Schlenker reichte es.
    Tim stürzte in den Graben, kopfüber.
Ohne seine Sportlichkeit wäre es schlimm ausgegangen. Doch nun landete er
elegant wie auf der Judomatte, allerdings nicht so sauber.

    Der Graben war voller Wasser.
Mit den Armen im Liegestütz bremste Tim den Sturz ab. Bis zu den Ellbogen sank
er ein. Sein Fahrrad polterte hinterher und landete ihm im Kreuz. Immerhin
blieb die Lampe an. Sie beschien — schräg aufwärts — kahle Zweige und einen
zerfetzten Kinderdrachen, der sich dort verheddert hatte.
    „Tim!“ Klößchen brüllte. „Wo
bist du? Lebst du noch? Um Himmels willen.“
    Tim hörte und sah, wie der
Wagen mit einem Affenzahn weiterpreschte, die Scheinwerfer wieder eingeschaltet
und nun schon weit voraus. Eben bog er auf die östliche Landstraße ein und
verschwand im dichten Nebel.
    „Hier bin ich. Ich lebe.“
    Tim erhob sich aus dem
schlammigen Wasser. Er war nass und verdreckt von Kopf bis Fuß.
    „Bist du verletzt?“
    Klößchen richtete seine Lampe
auf ihn.
    „Ich glaube nicht. Nein, keine
Spur. Ich bin nur wütend. Das war ein Anschlag. Der Versuch schwerer
Körperverletzung. Ein Auto ist eine tödliche Waffe. Frontal sowieso — und
schlimm genug, wenn man gestreift wird.“
    „Der Saukerl hat im letzten
Moment dunkel gemacht.“
    „Klar doch. Damit wir das
Nummernschild nicht sehen. Das heißt, es war sein eigener Wagen. Nicht mal,
dass er einen klaut für den Anschlag — sind wir ihm wert. Ich wette, es war ein
dunkler Audi. Der Wagen, den Sieglinde Faistläber gesehen hat. Aber das hilft
uns nicht weiter.“
    „Mann, Häuptling! Wir stehen in
der Schusslinie.“
    „Das Gefühl habe ich auch.
Außerdem friere ich.“
    Mit klammen Fingern öffnete Tim
den Reißverschluss seiner Jacke und holte die Umschläge heraus. Sie waren nass,
ebenso die Banknoten.
    „Den Zaster müssen wir
trocknen“, meinte Klößchen. „Am besten auf der Heizung im Adlernest.“
    Tims Bike war heil. Sie fuhren
mit Höllentempo. Zehn Minuten später schälte sich der TKKG-Häuptling
zähneklappernd aus seinen nassen Klamotten, drehte die Heizung in der Bude
Adlernest auf volle Pulle und schlüpfte in seinen Trainingsanzug. Auf dem Tisch
— der viel zu

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