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Der Memory Code

Der Memory Code

Titel: Der Memory Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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Verzweiflung war unübersehbar. “Ich bin Josh Ryder. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.”
    Der Regen hatte aufgehört, die Sonne kam wieder zum Vorschein. Pastellfarbenes Licht, erzeugt vom Grün, Violett und Blau der Butzenscheiben, fiel auf den kreisrunden Boden. Die Besucherin ließ den Blick durch das Zimmer zucken und auf dem vor dem Fenster stehenden Sessel verharren. Bunte Strahlen zauberten ein schillerndes Muster auf ihre rosa Kostümjacke und ihr Gesicht.
    “Möchten Sie einen Kaffee? Ein Handtuch?”
    Sie guckte an sich herab, als bemerke sie erst jetzt, wie durchnässt und zerknautscht ihr Kostüm war. “Ach, ja, ein Handtuch. Kann ich mich hier irgendwo frisch machen?”
    Als sie einige Minuten darauf zurückkam, hatte sie sich das Haar gebürstet, die verschmierte Wimperntusche abgewaschen und sich einigermaßen beruhigt. “Vielen Dank. Das tat gut.”
    “Wollen Sie sich nicht setzen?”
    Wie vermutet, suchte sie sich den Sitz am Fenster aus.
    “Also, was führt Sie her, Miss … Wie war noch Ihr Name?”
    “Palmer, Rachel Palmer.”
    “Angenehm, Rachel”, sagte er und fragte sich gleichzeitig insgeheim, ob dies tatsächlich ihre erste Begegnung war.
    “Ich habe solche … ach, ich weiß auch nicht, wie ich sie bezeichnen soll … Halluzinationen, vermutlich. Ich begreife nicht, was mit mir vorgeht.”
    “Ich weiß, es ist ziemlich befremdlich.”
    Sie blickte ihn dankbar an. “Dann glauben Sie mir also? Sie halten mich nicht für übergeschnappt?”
    “Selbstverständlich glaube ich Ihnen. Das ist hier unsere vornehmste Aufgabe. Das Unglaubliche zu glauben.” Josh lächelte.
    “Aber es kommt einem alles so verrückt vor!”
    “Kann ich mir denken.” So begannen die meisten Gespräche mit Betroffenen, die sich mit rätselhaften Erinnerungen herumschlugen. “Aber keine Bange, ich sehe das völlig unvoreingenommen. Was ist denn so verrückt?”
    “Ich war neulich bei meinem Hausarzt, der allerdings nichts feststellen konnte. Ein Psychiater verschrieb mir Tabletten gegen Angstzustände – aber ich habe keine Angstzustände. Normalerweise wirft mich so schnell nichts um. Diese Halluzinationen spielen nicht in der Gegenwart, nicht einmal hier in New York, sondern in Rom. Und ich, ich bin jemand ganz anderes. Sie sind ähnlich wie Träume, diese Fantasien, aber ich bin dabei wach. Oder zumindest kommt es mir so vor. Ist das nicht verrückt?”
    An diesem Morgen hatten etliche Anrufer Rom erwähnt. Jedes Mal hatte er sich Hoffnungen gemacht, es könnte eventuell jemand mehr Informationen über die Vergangenheit besitzen – über
seine
Vergangenheit – als er selber.
    “Verrückt ist das keineswegs”, betonte er, “und was das Überweisungssyndrom und die ärztlichen Verschreibungen angehen – davon kann ich ein Lied singen. Geholfen hat nichts, stimmt’s?”
    “Überhaupt nicht.”
    “Können Sie die eigentlichen Halluzinationen beschreiben?”
    Joshs Aufmunterungen halfen wohl, denn sie erzählte weiter. “Ich arbeite schon jahrelang als Schmuckdesignerin, aber in den letzten Tagen, etwa seit einer Woche, habe ich das Gefühl, als übten die Farben der Edelsteine eine ganz sonderbare Wirkung auf mich aus. Als wenn sie mich hypnotisierten. Mein Körper fängt richtig an zu vibrieren …” Sie unterbrach sich. “Ich kann nicht fassen, wie blöd sich das anhört.”
    “Nein, ganz und gar nicht.”
    “Können Sie mir denn wohl helfen? Ich halte das nicht mehr aus.” Während des Gesprächs hatte sie nervös an ihren Nagelhäutchen herumgepult. Eins davon hatte zu bluten begonnen, aber anscheinend fiel es Rachel nicht auf.
    “Versprechen kann ich Ihnen das nicht, aber zuhören kann ich sehr wohl, und dann sehen wir weiter.”
    Zuhören verstieß schließlich nicht gegen die Satzung, oder? Und selbst wenn – pfeif drauf! Er wollte wissen, wer die Besucherin war. Mit Rachel Palmer hatte er zum ersten Mal einen Menschen vor sich, den er nach seinem Gefühl schon von früher kannte. Von vor langer, langer Zeit, als er eine andere Person war. Die kleine Natalie in Rom, die kannte ihn zwar auch, aber er hatte keine Verbindung zu ihr gespürt. Konnte es sein, dass Rachel die Inkarnation von Sabina war? Nein, ausgeschlossen. Davon war er annähernd überzeugt, auch wenn er nicht wusste, warum.
    “So etwas kommt doch nicht durch bloßes Handauflegen, oder?”, fragte Rachel, nachdem sie die Versteigerung bei Christie’s beschrieben hatte, das Gemälde, den Unbekannten, der sich nach

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