Der Memory Code
bedanken.”
Ein Ende dieses Leidensweges schien immer noch nicht in Sicht. Vor ihnen lag ein strapazenreicher Weg durch ein Minenfeld. Am Ende, hoffte er, würde ein kleines Mädchen, das er noch nie gesehen hatte, wieder mit seiner Mutter vereint sein.
Während Gabriella unter der Dusche stand, schenkte sich Josh einen ordentlichen Scotch ein, nippte kurz daran und suchte sich dann die Zutaten für Rührei und Toast zusammen. Jetzt, da er die Steine abgeliefert hatte, da er allein war und Rollins mit dem Entziffern der Zahlen begonnen hatte, prasselten die Ereignisse dieses Tages noch einmal mit voller Wucht auf ihn ein. Das Zusammentreffen mit Rachel, die Hypnose, die herzzerreißende Schilderung von Esmes Vergangenheit – Esme, Percys Schwester, eine Frau, mit der er anscheinend seelisch irgendwie verbunden war. Dann das Vortäuschen falscher Tatsachen, um in Harrison Shoals Galerie zu gelangen, das Zerlegen des Rahmens, um an den zweiten Satz des Schatzes der Erinnerung zu kommen und diesen zu stehlen, nur um postwendend in eine Revolvermündung zu blicken. Immerhin war es ihm gelungen, Rachel dabei zu helfen, ihre Beziehung zu Shoals zu beenden, zu einer Figur, die – falls es so etwas wie ein Schicksal gab – viel zu gefährlich war, um der Mann ihres Lebens zu sein. Blieb aber weiterhin die Frage: Was war mit ihrem Onkel? Stellte er eine Gefahr für seine Nichte dar? Schlimmer noch: eine Gefahr für Gabriella und Quinn? Sollte er die Polizei verständigen, solange Gabriella noch oben unter der Dusche stand, und ihnen von Alex erzählen?
In diesem Augenblick klingelte sein Handy. Er blickte auf das Display. Es war Malachai.
“Ich wollte nur mal hören, wie’s läuft. Gibt’s was Neues?”
“Nein.”
“Was ist mit dem Mantra? Wird sie das Mantra rechtzeitig herausbekommen?”
“Ich denke schon … Ach ja, Malachai, das solltest du vielleicht wissen: Es sind zwölf Steine.”
“Wie bitte?”
“Der Schatz besteht aus zwölf Juwelen, nicht aus sechs.”
“Woher weißt du das?” Malachais Stimme klang verkrampft.
“Das erklären wir dir morgen, wenn du hier bist.”
“Nichts da! Nicht nach allem, was wir durchgemacht haben. Ich möchte, dass du es mir jetzt sofort erklärst.”
Der scharfe Unterton in Malachais Stimme war Josh neu, überraschte ihn allerdings nicht besonders. Er erklärte, was passiert war.
“Wann war das?”, hakte Malachai nach. “Wir haben uns doch gerade noch gesehen? Wieso hast du denn nichts gesagt? Menschenskinder, Josh! Hattest du die Steine vorhin etwa bei dir? Hast du sie jetzt?”
Josh warf einen Blick hinüber ins Esszimmer, wo die Juwelen noch auf Gabriellas gläserner Tischplatte lagen. Licht fiel auf sie herab und durch sie hindurch, sodass auch ihr Inneres zu leuchten schien. Sie glühten wie Fabelwesen, rätselhaft, aber lebendig.
Und da, gerade als er “Ja” sagen wollte, da durchzuckte es ihn plötzlich, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Ein plötzlicher Anflug von Bedenken. Eine Warnung.
Falls er Malachai die ganze Wahrheit sagte – würde der dann postwendend ins Auto steigen und nach New Haven kommen? Und falls ja: Würde er, sobald er die Steine einmal gesehen hatte, überhaupt von ihnen lassen können? Wo er doch so verzweifelt hoffte, endlich beweisen zu können, dass es Reinkarnation tatsächlich gab? Und so fest davon überzeugt war, dass die Steine genau diesen Beweis verkörperten? Konnte Josh dieses Risiko eingehen oder würde er Quinn nur noch mehr in Gefahr bringen?
“Nein”, gab er zurück. “Noch nicht. Gabriella wird sie morgen bei sich haben.”
“Wie ist das denn alles abgelaufen?”
Josh hörte, wie Gabriella die Treppe herunterkam.
“Malachai, wir möchten jetzt etwas essen, Gabriella und ich. Alles Weitere erzählen wir dir morgen. Ich rufe dich an, sobald ich weiß, wo und wann der Austausch erfolgt und wir Quinn abholen sollen.”
Sie aßen in der Küche. Josh beobachtete, wie Gabriella mechanisch die Gabel aufnahm, zum Munde führte, den Bissen kaute und dann den Vorgang wiederholte. Er wusste, sie schmeckte rein gar nichts, doch das tat nichts zur Sache. Sie brauchte die Energie. Als sie fertig waren, begaben sie sich mit Bechern voll dampfendem Milchkaffee ins Speisezimmer und bewunderten einmal mehr die Smaragde, Saphire und den Rubin – so andächtig, als könnten die Juwelen sich jeden Moment in die Lüfte schwingen. Nur waren sie ja nicht lebendig, sondern eigentlich wertlose Stückchen
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