Der Mensch vom Mars. Roman.
Pferd war, doch das Zucken der Trauer drückte mir die Kehle zu. Die Flasche ging rundum und schenkte jedem eine Weile übermenschlichen Glücks und bitterer menschlicher Enttäuschung.
Der Professor lehnte es ab, die Flasche zu nehmen. »Das ist wohl ein Rauschgift«, sagte er. »Ich bin dagegen, sich mit Haschisch oder Opium zu vergiften.«
»Das ist es nicht, Herr Professor. Bitte verzeihen Sie mir, daß ich unserem Biologen in die Quere gekommen bin.« Der Ingenieur nahm ein Glas aus der Tasche und stellte es auf den Tisch.
In dem Glas saßen zwei Frösche: ein kleiner, magerer und ein zweiter von übernatürlicher Größe, wie aufgeblasen.
»Und was ist das für ein Wunder vom Mars?« sagte der Doktor verlegen.
Er schämte sich – uns alle überflutete eine Welle der Scham, nachdem uns diese sonderbare Flüssigkeit entzogen worden war.
»Und da ist der Umstand, daß die beiden Frösche am Morgen noch Kaulquappen waren. Nur daß ich in das Wasser des Aquariums einen Tropfen dieser Flüssigkeit gegossen habe ... das ist alles.«
Der Ingenieur sprach ruhig weiter:
»Ich hatte mir gesagt, daß ich mich über nichts mehr wundern werde – und doch werde ich jedesmal aufs neue starr vor Staunen. Wie schon gesagt enden alle Wahrnehmungsapparate blind ... und führen ins Innere des flüssigkeitsgefüllten Rohres mit den Auswüchsen, die elektrischen Einrichtungen ähneln. Genau die gleichen Auswüchse findet man am oberen Ende, wo sie Stecker für die Rosetten bilden, in die die Kabel der zentralen Birne münden. Mehr war mir nicht aufgetragen.«
Der Professor betrachtete uns streng.
»Es scheint mir, daß sich Mr. Gedevani nach uns allen sehnt, und am meisten nach dieser wunderbaren Flasche. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß wir hier nicht so sehr gewöhnliche Leute sind oder auch Gelehrte, sondern die irdische Delegation für den Empfang und das Studium des Ankömmlings vom Mars. Muß ich es aussprechen, welche Merkmale eine derartige Delegation haben und von welchen sie frei sein sollte?«
Wir alle senkten den Kopf. Fürwahr, der Professor war zu scharf mit uns ... er spürte nicht die entsetzliche und gleichzeitig wunderbare Wirkung der Flüssigkeit ...
Der Alte schien unsere Gedanken zu lesen:
»Auch wenn es das Lebenswasser ist, erlaube ich mir doch, daran zu erinnern, daß es aqua vitae heißt – und nach Abschluß unserer Forschungen kann sich jeder der Herren dem Studium seiner Merkmale widmen ... ich werde das niemandem verbieten ...«
Der Alte war boshaft, aber ich spürte, daß er recht hatte.
»Herr Professor«, sagte ich, »es gibt hier keine Schuld. Ich glaube und weiß, daß alles gut werden wird. Das sage ich im Namen aller Herren. Eben weil wir keine ›forschenden Gehirne‹ sind, sondern Menschen. Denn gerade weil wir Menschen sind, werden wir so handeln, wie es die Situation erfordert.«
»Das habe ich erwartet«, erwiderte der Professor trocken. »Bitte verzichten Sie in Zukunft auf solche Demonstrationen, Herr Ingenieur. Und jetzt bitte ich Sie um Ihre Meinung.«
Der Ingenieur gab mir recht, daß diese ganze Geschichte mit der Vorführung der Zentralflüssigkeit des Aeranthropos das Ziel hatte, dem Professor zu demonstrieren, daß er ein genauso schwacher Mensch sei wie wir. Es erwies sich jedoch, daß die Falle zu plump gestellt worden war. Der alte Herr nahm zwar (wie ich später erfuhr) die Flasche in sein Zimmer mit, aber doch nicht, um sich ein momentanes Lustgefühl zu verschaffen. Ich bin sicher, daß er sich von jedem ekelhaften Insekt beißen ließe, wenn ihm dies einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn brächte. Er hatte befürchtet, die Beherrschung zu verlieren, und er war zu klug, um sich uns gegenüber lächerlich zu machen.
Der Doktor, der sich nach dem erstaunlichen Experiment wieder gefaßt hatte (die Wirkung ließ schnell nach), stand auf und legte einen Stoß Papiere verschiedener Größe und verschiedenen Formats vor sich hin. Er hatte die Gewohnheit, die Resultate seiner Arbeit auf Manschetten zu schreiben, auf alte Zeitungsfetzen, schmutzige Servietten, alte Zeitschriften, ohne die prächtigen Notizblöcke mit feinstem Schreibpapier anzurühren, die überall in den Labors vorhanden waren. Er hatte mir anvertraut, die Ferne und Leere des Papiers verursache eine Verwässerung des Gehirninhalts und eine Hohlheit der Gedanken.
»Meine Herren, ich kann Sie wirklich mit nichts zum Staunen bringen und bin nicht imstande, Ihnen eine wunderbare Darbietung
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