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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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zu geben« – er war Fink wegen seines Experimentes sichtlich böse –, »meine Lage ist vielmehr ernster als die meines Vorgängers, und das aus zweierlei Gründen. Erstens, weil sich einer toten Substanz die Geheimnisse leichter entreißen lassen, und zweitens, weil sich die Maschine seit Wochen im Zustand der Nichtaufnahme von Substanzen von außen befindet, zumindest der für diesen Teil schädlichen Luft. Vielleicht erscheint Ihnen das als Anthropomorphisieren von meiner Seite, aber wenn die Substanz lebendig ist, und ich kann das mit Fug und Recht annehmen, dann muß sie zur Aufrechterhaltung des grundlegenden Stoffwechsels die eigenen Verluste durch die Aufnahme chemischer Elemente von außen wettmachen. Das ist die einzige Möglichkeit.«
    »Herr Doktor, Sie irren«, unterbrach ihn Gedevani. »Das ist die zweite Möglichkeit: Es kann sein, daß die Lebensenergie dieser Maschine von außen, ohne chemische Reaktionsenergie kommt, durch die Verbindung von Strahlen oder Wellen, die von den Neutronen ursprünglich ausgehen; sie bekommen die eigene kinetische Energie von den Atomen und geben sie an die lebenden Teile ab.«
    Der Doktor nickte. »Ich glaube, Sie haben recht. Vielleicht ist eine solche ›Ernährung mit Energie‹ möglich – auf jeden Fall begann das Plasma um halb elf gewissermaßen Symptome des Absterbens zu zeigen, dessen erstes Anzeichen so etwas wie die Erweichung der funktionellen Ströme war ...«
    »Hören Sie auf mit dieser Bauchrednerei – ist dort noch etwas davon übriggeblieben?« Der Professor blickte böse über den Brillenrand auf den Doktor. Dieser schien beleidigt zu sein.
    »Ich bin noch nicht fertig. Ich bekomme meine Arbeitsergebnisse nicht so leicht wie andere durch das Zerlegen einzelner Räder.«
    »Was soll das schon wieder heißen? Ich habe den Eindruck, daß Sie Streit suchen?« Der Professor war rot angelaufen.
    Der Doktor hielt sich zurück. »Vielleicht wirkt diese verdammte Flüssigkeit so ... Jedenfalls hatte ich eine halbe Stunde lang einen ordentlichen Bammel, denn die Lichtpulsationen fielen fast auf Null ab, so schwach waren die Ströme. Ich gab Sauerstoff und Kohlendioxid von sehr schwacher Wirkung. Um 11.55 war schon das Stadium des Sterbens erreicht, also griff ich verzweifelt zu –« Er hielt inne.
    »Nun, was, um Gottes willen, haben Sie gemacht?«
    »Ich habe durch die Öffnung in der Birne 0,001 Adrenalin gespritzt. Die Wirkung war phänomenal. Alle Erscheinungen gingen auf die Norm zurück. Und als ich vor einer Viertelstunde ging ...«
    Der Professor erhob sich. »Aber es konnte doch nur eine für den Augenblick wirkende Erholung sein. Es ist zwölf Stunden her, seit das Gehirn von dem Kegel abgeschaltet wurde. Wenn das Plasma empfindlich ist und die notwendige Energie nicht mehr bekommt – schnell, meine Herren! Ins Labor – Mr. Fink, die Flasche mit der Flüssigkeit, schnell.«
    Wir liefen wie Schüler zur Tür, von der kräftigen Stimme angetrieben.
    »Vorsicht – meine Jacke.« Das war Gedevani. Er blickte sich mürrisch um. »Ich wußte ja, daß es nicht so einfach enden würde – es macht sich noch einen Spaß.«
    »Welches es?«
    »Na, dieser Mensch vom Mars.«
    Im Labor war es still. Ich trat als erster an das Galvanometer und schaute durch das Glasfenster – es war dunkel.
    »Donnerwetter! Herr Doktor, das hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Es ist zerstört, es scheint nicht mehr zu leben. Wir sitzen dort wie die Idioten und faseln herum, und hier stirbt das Plasma. Es stirbt, stirbt, verstehen Sie das? Und Sie streiten mit dem Ingenieur um Ihre kleinlichen Ambitionen.«
    Der Arzt verging fast vor Scham.
    »Ehrenwort, als ich wegging, war er in hervorragendem Zustand, ich habe nicht erwartet ... ich saß die ganze Nacht hier – und ...«
    »Still! Ingenieur, die Flüssigkeit!«
    Professor Widdletton war völlig außer sich. Er bewegte sich blitzschnell, entriß dem Arzt die Spritze, füllte sie mit einigen Tropfen der rätselhaften Flüssigkeit und schob die Nadel durch die Öffnung des Panzers. Die Sekunden vergingen – der Kolben der Spritze erreichte den Boden – wir hielten den Atem an.
    Plötzlich sah ich im Fenster einen schwachen Glanz, gleichzeitig kippte der Zeiger des Galvanometers um. Ein zweiter Blitz – im Inneren der Birne breitete sich ein schwacher Lichtstrahl aus.
    »Gott sei Dank.« Der Professor strahlte. »Kein Zweifel, wir können damit beginnen, ihn zusammenzusetzen.« Er umarmte uns förmlich mit einem Blick.

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