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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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darum, daß die Greifer oder Schlangenrohre an den Enden, die ich Monitore genannt habe, Energie in verschiedenen Zustandsformen abgeben können. Es kann thermische Energie sein oder ein anderes Magnetfeld, mit einem Wort, durch die Angleichung der Schwingungen der eigenen Atome an die Schwingung der berührten Substanz kann es zu einer Anziehung oder zu einer Fixierung kommen, die für uns selbst beim Zusammenschrauben unerreichbar bliebe. Das tragische Ende Whites, der auf dem Hof war, als sich der Aeranthropos auf und davon machte, und dessen Schicksal wir schweigend übergangen haben, weil ihm kein anderes Geschick widerfahren sein konnte, war die völlige Zerstäubung in Atome, und das erklärt den Umstand, daß er so schnell verschwinden konnte und daß wir keine Überreste gefunden haben. Was die energetischen Merkmale der Maschine angeht, so kennen wir sie vielleicht in Umrissen, aber keineswegs alle. Es geht hier darum, daß wir weder empfindliche Sinnesorgane noch physikalische Apparate zur Registrierung der Kraft von Materiewellen haben, und es scheint mir, gerade die Materiewellen bilden die Grundlage für gewisse Bauelemente der Maschine. Das ist die eine Seite. Was die Kontrolle der Außenwelt betrifft, die Einwirkung der Außenwelt auf die Maschine, und zwar in erster Linie auf den lebenden Kern in der Birne, kann ich Ihnen leider nur sehr wenig sagen. Ich verlasse mich hier auf den Doktor. Natürlich gibt es da Apparate, die, vereinfacht ausgedrückt, an lichtempfindliche Systeme erinnern, es gibt auch Zusammenfügungen von Metallen wie für die Registrierung von Temperaturunterschieden. Aber das sind nur Elemente. All ihre äußeren Auswüchse führten an das Zentralrohr, wo sie blind enden. Dieses Rohr ist mit einer Art Flüssigkeit gefüllt ... Eigentlich aber ist es keine Flüssigkeit.« Er stellte einen kleinen Glaskolben auf den Tisch. »Hier haben Sie eine Probe dieser Substanz. Ich kann darüber weiter nichts sagen, außer daß es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine organische Substanz handelt ... Ich bin übrigens ein allzu schwacher Chemiker, um ihre Zusammensetzung genau feststellen zu können. Jedenfalls ist die Wirkung dieser Flüssigkeit höchst erstaunlich – aber, meine Herren, Sie sollen sich mit eigenen Augen überzeugen. Worte reichen nicht aus, um es zu beschreiben.«
    Wir schauten einander an, gleichsam von dem Gedanken getrieben: Aha, die Wunder sind bereits im Gange.
    Ingenieur Fink sagte: »Nur Mut, Doktor.«
    Und nachdem er die Flasche geöffnet hatte, führte er sie ihm an die Nase. Der Arzt inhalierte vorsichtig die Luft, seine Miene veränderte sich und plötzlich entriß er dem Ingenieur die Flasche und atmete in heftigen Zügen das Gas ein, das sich sichtlich von der Flüssigkeit löste.
    Sein Gesicht wurde rot, dann blaß, er sank in den Sessel und schloß die Augen.
    »Ingenieur, was ist das?« rief der Professor. »Doch wohl kein Gift?«
    Fink trat zum Doktor, der sich widerstandslos die Flasche aus der Hand nehmen ließ, und reichte sie mir. Ich beschloß, sehr vorsichtig zu sein und nur ein wenig an diesem sonderbaren Gas zu schnuppern.
    Ich kann nicht sagen, was mit mir passierte. Ich sah zuerst ungewöhnlich schöne, neblig wirbelnde Kreise. Dann ertönten laute und leise Klänge und schufen eine wunderbare Harmonie. Das alles verschmolz in einen Strom von Farben, Licht und Duft, der nicht wohltuend war, sondern eher unangenehm, wie ich jetzt sagen würde – doch dieses Unlustgefühl war süß bis zum Schmerz. Da war das Gefühl eines starken und unwiderstehlich heftigen Lebens, das mit jedem Herzschlag, mit jeder Bewegung eines Muskels und mit jedem Atemzug Wonne spendet; und all das war eingehüllt in ein seidiges Polster. Gleichzeitig sah ich, was ringsum los war und fühlte, daß ich so klar dachte wie noch nie, daß ich so scharf und bunt sah wie ein sonderbares optisches Instrument. Jemand, der Ingenieur, glaube ich, wollte mir die Flasche wegnehmen. Ich drückte sie krampfhaft an mich, wollte sie nicht hergeben, aber ich fühlte eine leichte Ohnmacht – ich ließ sie los.
    Jetzt wundere ich mich nicht ... ich wundere mich über gar nichts.
    Ich sah, wie der Doktor, ganz in sich zusammengesunken, weinte. Ich weinte auch, diese Selbstfindung war so entsetzlich – vor einem Augenblick noch zufrieden und normal, und jetzt todunglücklich, wie hinausgeworfen aus dem verlorenen Paradies. Ich fühlte, daß es sich änderte, daß ich ein altes dummes

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