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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Geschäftsmann, hat es nichts zu sagen, wenn man mittelmäßig ist. Man verdient seinen Unterhalt, und damit hat es sein Bewenden. Aber was hat es für einen Sinn, uninteressante Bilder zu produzieren?«
    Lawson hatte Philip gern, und als er merkte, dass Philip über die Ablehnung seines Bildes ernstlich gekränkt war, tat er sein Möglichstes, um ihn zu trösten. Jeder wusste, dass der Salon Bilder zurückgewiesen hatte, die später berühmt geworden waren. Es war das erste Mal, dass Philip etwas eingeschickt hatte, und eine Ablehnung durfte ihn nicht weiter wundern. Flanagans Erfolg war erklärlich, sein Bild war effekthascherisch und oberflächlich, genau das, was einer verkalkten Jury imponierte. Philip wurde ungeduldig. Er fand es demütigend, dass Lawson ihm zutraute, sich durch eine so nebensächliche Angelegenheit aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, und die tieferen Ursachen seiner Niedergeschlagenheit nicht begriff.
    In letzter Zeit hatte sich Clutton ein wenig von der Gesellschaft bei Gravier zurückgezogen und lebte für sich allein. Flanagan sagte, er hätte eine Freundin, aber Cluttons hartes Gesicht ließ keine Leidenschaft erkennen; Philip hielt es für wahrscheinlicher, dass er sich von den Freunden absonderte, um sich über die neuen Ideen in seinem Inneren klar zu werden. An jenem Abend jedoch, als die andern das Restaurant bereits verlassen hatten und Philip einsam an seinem Tisch saß, kam Clutton herein und bestellte ein Abendessen. Sie kamen ins Gespräch, und da Philip Clutton aufgeschlossen fand und weniger sarkastisch als sonst, beschloss er, seine gute Laune auszunützen.
    »Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du dir mein Bild ansehen wolltest«, sagte er. »Ich möchte wissen, was du davon hältst.«
    »Nein, das werde ich nicht tun.«
    »Warum nicht?«, fragte Philip errötend.
    Es war nichts Außergewöhnliches, was er von Clutton verlangt hatte, und kein anderer hätte daran gedacht, eine solche Bitte abzuschlagen. Clutton zuckte die Achseln.
    »Die Leute bitten einen um Kritik, aber in Wirklichkeit wollen sie nichts anderes hören als Lob. Was macht es für einen Unterschied, ob dein Bild gut oder schlecht ist?«
    »Für mich macht es einen Unterschied.«
    »Nein. Der einzige Grund, warum man malt, ist der, dass man nicht anders kann. Es ist etwas Zwangsläufiges, eine Körperfunktion wie alle anderen auch, nur dass sie verhältnismäßig wenige Leute haben. Man malt für sich selbst, andernfalls würde man Selbstmord begehen. Bedenk doch: Du mühst dich, Gott weiß wie lange, ab, etwas auf die Leinwand zu bringen, mit dem Schweiß deiner Seele – und was ist das Ergebnis? Zehn zu eins wird es vom Salon zurückgewiesen; wird es angenommen, so bleiben die Leute ein paar Sekunden davor stehen und gehen dann weiter. Hat man Glück, so kauft es irgendein ahnungsloser Idiot, hängt es in seinem Zimmer auf und beachtet es so wenig wie seinen Esstisch. Die Kritik hat nichts mit dem Künstler zu tun. Sie urteilt objektiv, aber das Objektive geht den Künstler nichts an.«
    Clutton legte die Hand über die Augen, um sich besser konzentrieren zu können.
    »Der Künstler empfängt einen bestimmten Eindruck und fühlt sich gedrängt, ihn in Farben und Linien wiederzugeben; er weiß nicht, warum, aber er kann es nur anhand von Bildern wiedergeben. Es ist wie bei einem Komponisten; er liest ein oder zwei Zeilen, und eine bestimmte Tonfolge entsteht vor ihm: Er weiß nicht warum diese und jene Worte diese und jene Töne hervorrufen, es geschieht einfach. Und ich kann dir noch einen anderen Grund nennen, warum Kritik bedeutungslos ist: Ein großer Maler zwingt die Welt, die Natur zu sehen, wie er sie sieht; aber in der nächsten Generation kommt ein neuer Maler, der die Welt auf seine Weise sieht, und dann wird er von der Öffentlichkeit nicht nach sich selbst, sondern nach seinem Vorgänger beurteilt. So hatten unsere Väter gelernt, Bäume auf eine bestimmte Art zu sehen, und als nun Monet auftauchte und anders malte, riefen sie: ›Aber so sehen doch Bäume nicht aus!‹ Nie kamen sie auf den Gedanken, dass Bäume genauso aussehen, wie der Maler sie sieht. Wir malen die Dinge, wie sie sich in unserem Innern spiegeln. Wenn wir der Welt unsere Sicht aufzwingen können, werden wir große Maler genannt; wenn nicht, werden wir ignoriert; aber wir bleiben die Gleichen. Größe oder Bedeutungslosigkeit – weder das eine noch das andere zählt für uns. Was danach mit unseren Werken

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