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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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dass ich dich noch einmal sehen würde«, sagte er schließlich.
    »Ich wünschte, ich wäre tot«, stöhnte sie.
    Philip ließ sie stehen, wo sie stand – er hatte nur einen Ge- danken: sich sammeln. Ihm zitterten die Knie. Er sah sie an und stöhnte verzweifelt auf.
    »Also, was gibt’s?«, sagte er.
    »Er hat mich sitzenlassen – Emil.«
    Philips Herz schlug schneller. Er wusste nun, dass er sie so leidenschaftlich liebte wie eh und je. Er hatte nie aufgehört, sie zu lieben. Sie stand demütig und ergeben vor ihm. Er hätte sie am liebsten in die Arme genommen und ihr tränenüberströmtes Gesicht mit Küssen bedeckt. Wie lang doch die Trennung gewesen war! Er wusste nicht, wie er es hatte ertragen können.
    »Setz dich lieber hin. Ich werde dir einen Drink machen.«
    Er zog den Stuhl ans Feuer, und sie setzte sich. Er mischte Whisky und Soda für sie, und sie trank, ohne dabei mit ihrem Schluchzen aufzuhören. Sie sah ihn aus großen, traurigen Augen an, unter denen breite schwarze Schatten lagen. Sie war dünner und bleicher als das letzte Mal, als er sie gesehen hatte.
    »Ich wünschte, ich hätte dich geheiratet, als du mich gefragt hast«, sagte sie.
    Philip wusste nicht, warum ihm bei dieser Bemerkung das Herz schwoll. Er konnte den Abstand zu ihr, den er sich auferlegt hatte, nicht länger wahren. Er legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Es tut mir furchtbar leid, dass du in solchen Schwierigkeiten bist.«
    Sie lehnte den Kopf gegen seine Brust und brach in hysterisches Weinen aus. Ihr Hut war ihr dabei im Weg, und sie nahm ihn ab. Er hätte es sich nicht träumen lassen, dass sie fähig sei, so zu weinen. Er küsste sie immer und immer wieder. Es schien sie etwas zu beruhigen.
    »Du bist immer gut zu mir gewesen, Philip«, sagte sie. »Deshalb wusste ich, dass ich zu dir kommen könnte.«
    »Erzähl mir, was geschehen ist.«
    »Ach, ich kann nicht – ich kann nicht!«, schluchzte sie auf und machte sich von ihm frei.
    Er sank neben ihr auf die Knie und legte seine Wange an ihre.
    »Weißt du nicht, dass es nichts gibt, was du mir nicht erzählen kannst? Ich kann dir ja gar nicht böse sein, wegen nichts…«
    Nach und nach erzählte sie ihm die Geschichte und schluchzte dabei manchmal so sehr, dass er sie nicht verstehen konnte.
    »Vorigen Montag ist er nach Birmingham gegangen und hat versprochen, am Donnerstag zurück zu sein, und er ist nicht gekommen. Auch am Freitag ist er nicht gekommen. Da habe ich schließlich geschrieben, was denn los sei, und er hat den Brief nicht beantwortet. Und dann habe ich ihm geschrieben und gesagt, dass ich nach Birmingham komme, wenn ich nicht postwendend von ihm höre, und heute Morgen habe ich nun einen Brief von einem Anwalt bekommen, und er teilt mir mit, dass ich keine Ansprüche gegen ihn hätte und dass er, wenn ich ihn weiter belästige, den Schutz der Gesetze in Anspruch nehmen muss.«
    »Aber das ist doch absurd!«, rief Philip. »Ein Mann kann doch seine Frau nicht so behandeln. Hattet ihr einen Streit?«
    »Ach ja, wir hatten am Sonntag gestritten, und er sagte, er habe mich satt – aber das hat er früher auch schon gesagt und ist dann doch wieder zurückgekommen. Ich dachte also, es sei nicht sein Ernst. Aber er hatte Angst gekriegt, weil ich ihm erzählt habe, dass ein Kind unterwegs ist. Ich hatte es ihm so lange verschwiegen, wie es nur irgend ging. Aber dann ging’s nicht mehr. Er sagte, es sei meine Schuld und ich hätte es nicht dazu kommen lassen dürfen. Wenn du nur gehört hättest, was er mir alles gesagt hat! Jedenfalls habe ich recht schnell herausgefunden: Ein Gentleman ist er nicht. Er hat mich ohne einen Penny sitzenlassen. Er hatte die Miete nicht bezahlt, und ich hatte kein Geld, um sie zu bezahlen, und die Frau, die das Haus verwaltet, hat mir Sachen gesagt – man hätte glauben können, ich sei eine Diebin!«
    »Ich dachte, ihr wolltet eine eigene Wohnung nehmen.«
    »Das hatte er auch gesagt. Aber dann haben wir nur eine möblierte Wohnung genommen. So geizig war er. Er sagte, ich sei verschwenderisch, aber er hat mir nichts gegeben, womit ich hätte verschwenderisch sein können.«
    Sie hatte eine besondere Art, Triviales und Wichtiges durcheinanderzumengen. Philip fand sich nicht zurecht. Die ganze Angelegenheit war ihm unverständlich.
    »So gemein kann sich kein Mann benehmen.«
    »Du kennst ihn nicht. Ich gehe nicht mehr zu ihm zurück, auch nicht, wenn er mich auf den Knien darum bittet. Ich war ein schöner Dummkopf,

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