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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Abenteurer von Natur. Er liebte Menschen, die zweifelhaften Beschäftigungen nachgingen und undurchsichtige Ziele hatten, und die Zahl seiner Bekanntschaften unter dem Gesindel, das sich in den Londoner Bars herumtrieb, war ungeheuer! Leichtlebige Frauen, die ihn als Freund betrachteten, erzählten ihm von den Sorgen, Schwierigkeiten und Erfolgen ihres Lebens, und Bauernfänger, die seine Geldnöte respektierten, hielten ihn frei oder liehen ihm Fünfpfundnoten. Man ließ ihn in den Examen immer wieder durchfallen, aber er ertrug auch das mit Heiterkeit und unterwarf sich den väterlichen Vorhaltungen mit so viel Charme, dass sein Vater, ein praktischer Arzt in Leeds, nicht das Herz hatte, ihm ernsthaft böse zu sein.
    »Ich bin ein furchtbarer Dummkopf, was Bücher angeht«, sagte er fröhlich, »aber ich kann einfach nicht arbeiten.«
    Das Leben war viel zu schön. Aber es war schon jetzt klar, dass er, wenn er sich ausgetobt und schließlich doch noch die Examen bestanden hatte, als praktischer Arzt sehr erfolgreich sein würde. Er würde die Leute einfach mit dem Charme seines Wesens kurieren.
    Philip verehrte ihn so, wie er während der Schulzeit Knaben verehrt hatte, die schlank und gutgewachsen und lebensfroh waren. Als er schließlich wieder auf dem Damm war, waren sie längst gute Freunde geworden, und es gab Philip ein besonderes Gefühl der Befriedigung, dass Griffith allem Anschein nach so gern in seinem kleinen Wohnzimmer saß und ihm mit amüsantem Geschwätz die Zeit stahl und dabei unzählige Zigaretten qualmte. Philip nahm ihn manchmal mit in die Taverne in der Nähe der Regent Street. Hayward fand ihn blöd; Lawson erkannte seinen Charme und wollte ihn gern malen. Er war eine malerische Erscheinung mit seinen blauen Augen, der weißen Haut und dem lockigen Haar. Häufig debattierten sie über Sachen, von denen er nicht das Geringste verstand, und dann saß er still da, mit einem gutmütigen Lächeln auf dem hübschen Gesicht, in dem zutreffenden Gefühl, dass seine Gegenwart allein schon Beitrag genug zur Unterhaltung war. Als er erfuhr, dass Macalister Börsenmakler war, wollte er gern Tipps haben, und Macalister erzählte ihm mit feierlichem Lächeln, was für Vermögen er hätte anhäufen können, wenn er bestimmte Aktien zu bestimmten Zeiten gekauft hätte. Philip lief das Wasser im Mund zusammen, denn irgendwie verbrauchte er stets mehr Geld, als er eigentlich ausgeben durfte, und es wäre ihm sehr gelegen gekommen, wenn er auf die leichte Art, die Macalister andeutete, ein bisschen Geld hätte verdienen können.
    »Das nächste Mal, wenn ich von etwas wirklich Gutem höre, lasse ich es Sie wissen«, sagte der Börsenmakler. »Es kommt schon gelegentlich vor. Man muss nur den richtigen Zeitpunkt erwischen.«
    Philip dachte, wie herrlich es wäre, fünfzig Pfund extra zu haben; dann könnte er Norah die für den Winter so dringend nötige Pelzgarnitur kaufen. Er besah sich die Schaufenster in der Regent Street und suchte sich die Sachen aus, die er für das Geld würde erstehen können. Sie verdiente es wirklich. Sie machte sein Leben so glücklich.
    69
     
    Eines Nachmittags kam er vom Krankenhaus nach Hause, um sich zu waschen und ein bisschen zurechtzumachen, bevor er wie gewöhnlich zu Norah zum Tee ging. Noch ehe er den Schlüssel im Schloss umdrehen konnte, öffnete ihm seine Wirtin.
    »Eine Dame wartet auf Sie«, sagte sie.
    »Auf mich?«, rief Philip aus.
    Er war überrascht. Es konnte nur Norah sein – er hatte keine Ahnung, was sie zu ihm geführt haben mochte.
    »Ich hätte sie nicht hereinlassen sollen – aber sie ist dreimal hier gewesen, und sie schien so aufgeregt, weil sie Sie nicht antraf, dass ich ihr sagte, sie könne warten.«
    Er stürzte an der Wirtin, die noch immer weiterredete, vorbei und stürmte ins Zimmer. Sein Herz zog sich zusammen. Es war Mildred. Sie saß, stand aber eilig auf, als er hereinkam. Sie ging ihm nicht entgegen – sie sprach nicht. Er war so überrascht, dass er nicht wusste, was er sagte.
    »Was zum Teufel willst denn du?«, fragte er.
    Sie antwortete nicht, sondern fing an zu weinen. Dabei legte sie nicht die Hände vor die Augen, sondern ließ die Arme am Körper herunterhängen. Sie sah wie ein Hausmädchen aus, das sich um eine Stellung bewirbt. In ihrer Haltung war etwas schrecklich Unterwürfiges. Philip wusste nicht, was für Gefühle ihn überkamen. Er spürte den Drang, sich einfach umzudrehen und davonzulaufen.
    »Ich habe nicht geglaubt,

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