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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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herausgekommen war. Er ging zur Victoria Street und kaufte ein paar Blumen für Mildred.
    Das kleine Essen war ein rechter Erfolg. Philip hatte ihr ein Döschen Kaviar geschickt, denn er wusste, dass sie ihn sehr gern aß. Die Wirtin brachte ihnen Koteletts mit Gemüse und eine süße Nachspeise. Philip hatte Burgunder, Mildreds Lieblingswein, bestellt. Mit den vorgezogenen Vorhängen, einem fröhlichen Feuer im Kamin und einem der mitgebrachten Lampenschirme auf der Lampe wirkte das Zimmer recht gemütlich.
    »Hier fühlt man sich wirklich wie zu Hause«, sagte Philip lächelnd.
    »Es könnte mir schlechter gehen, nicht?«, antwortete sie.
    Als sie fertig waren, zog Philip zwei Lehnstühle vors Feuer, und sie setzten sich. Mit Behagen rauchte er seine Pfeife. Er fühlte sich glücklich und großmütig.
    »Was möchtest du morgen unternehmen?«, fragte er.
    »Ach, ich gehe nach Tulse Hill. Erinnerst du dich an die Leiterin unserer Teestube? Sie ist jetzt verheiratet und hat mich eingeladen, den Tag bei ihr zu verbringen. Natürlich denkt sie, dass auch ich verheiratet bin.«
    Philip wurde das Herz schwer.
    »Aber ich habe eine Einladung abgelehnt, damit ich den Sonntag mit dir verbringen kann.«
    Er glaubte, dass sie nun, wenn sie ihn liebte, sagen würde, in diesem Fall wollte sie bei ihm bleiben. Er wusste sehr wohl, dass Norah keinen Augenblick gezögert hätte.
    »Es ist dumm, dass du das getan hast. Ich habe es schon seit mehr als drei Wochen versprochen.«
    »Aber wie kannst du allein gehen?«
    »Ach, ich sag, dass Emil geschäftlich verreist sei. Ihr Gatte ist im Handschuhhandel – er ist ein feiner Kerl.«
    Philip schwieg; sein Herz war voll bitterer Gefühle. Sie sah ihn von der Seite an.
    »Du missgönnst mir das bisschen Vergnügen nicht, Philip? Es ist doch das letzte Mal, für wer weiß wie lange, dass ich ausgehen kann, und ich hab es versprochen.«
    Er nahm ihre Hand und lächelte.
    »Nein, mein Liebling. Ich hoffe, du hast recht viel Spaß. Ich will ja nichts weiter, als dass du glücklich bist.«
    Auf dem Sofa lag ein kleines blaugebundenes Buch mit aufgeschlagenen Seiten. Philip nahm es gedankenverloren auf. Es war ein Dreigroschenroman, und die Autorin war Courtenay Paget. Das war Norahs Pseudonym.
    »Ich habe ihre Bücher sehr gern«, sagte Mildred. »Ich lese sie alle; sie sind so vornehm.«
    Er erinnerte sich, was Norah von sich gesagt hatte:
    »Bei Küchenmädchen bin ich sehr beliebt. Sie finden mich so nobel.«
    71
     
    Philip hatte Griffith im Austausch für die ihm anvertrauten Geheimnisse auch die Einzelheiten seiner eigenen verwickelten Liebesgeschichte erzählt. Als sie nun am Sonntagmorgen nach dem Frühstück in ihren Morgenmänteln vor dem Kamin saßen und rauchten, berichtete er ihm von der Szene, die sich am Vortag zugetragen hatte. Griffith gratulierte ihm, dass er so leicht aus den Schwierigkeiten herausgekommen war.
    »Es ist das Einfachste in der Welt, mit einer Frau eine Affäre zu haben«, sagte er sinnig, »aber es ist eine verteufelt lästige Angelegenheit, sie wieder loszuwerden.«
    Philip fühlte sich geneigt, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, weil er die Sache so wunderbar erledigt hatte. Jedenfalls war er außerordentlich erleichtert. Er dachte an Mildred und daran, wie sie sich wohl in Tulse Hill amüsieren mochte. Es war ihm eine rechte Befriedigung, dass er sie glücklich wusste. Es war Selbstüberwindung, dass er ihr das Vergnügen nicht missgönnte, obwohl er es mit seiner eigenen Enttäuschung hatte bezahlen müssen. Das erfüllte sein Herz mit angenehmer Glut.
    Am Montagabend aber fand er einen Brief von Norah auf seinem Schreibtisch. Sie schrieb:
Liebster!
Es tut mir leid, dass ich Samstag so böse war. Vergib mir und komm am Nachmittag wie gewöhnlich zum Tee. Ich liebe Dich.
Deine Norah
    Er wusste nicht, was er nun tun sollte. Er zeigte das Briefchen Griffith.
    »Das Beste ist, du antwortest gar nicht«, sagte er.
    »Das kann ich nicht«, rief Philip. »Es macht mich ganz elend, wenn ich mir vorstelle, dass sie nun in einem fort auf mich wartet. Du weißt nicht, was es heißt, wie verrückt auf den Briefträger zu warten. Ich weiß es und kann deshalb niemanden dieser Qual aussetzen.«
    »Mein lieber Freund, man kann eine solche Art von Beziehung nicht beenden, ohne dass einer darunter leidet. Du musst eben die Zähne zusammenbeißen. Aber, glaube mir, es ist bald vorüber.«
    Philip fand, Norah habe es nicht verdient, dass er sie verletzte, und was

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