Der Menschen Hoerigkeit
geschenkt hatte. Sein Onkel hatte ihm ein Feldbett angeboten, das er jetzt nicht mehr brauchte, da er das Haus im August nicht mehr vermietete, und für zehn Pfund kaufte er sich, was sonst noch nötig war. Er gab zehn Shilling aus, um das zukünftige Wohnzimmer mit einer kornfarbenen Tapete zu tapezieren, und an der Wand hängte er eine Skizze auf, die Lawson ihm einmal vom Quai des Grands Augustins geschenkt hatte, eine Fotografie der Odalisque von Ingres und eine von Manets Olympia, die in Paris Gegenstand seiner Meditationen gewesen waren, während er sich rasierte. Um sich daran zu erinnern, dass er auch einmal ein Jünger der schönen Künste gewesen war, hängte er eine Kohlezeichnung des jungen Spaniers Miguel Ajuria auf: Es war das Beste, was er je gemacht hatte: ein Akt mit geballten Fäusten und den Boden mit eigenartiger Kraft packenden Füßen, mit jenem Ausdruck der Entschlossenheit im Gesicht, der ihn so beeindruckt hatte. Obwohl Philip nach der langen Zeit die Mängel seiner Arbeit wohl erkannte, betrachtete er sie der Erinnerungen wegen, die damit verknüpft waren, doch mit freundlicher Nachsicht. Er hätte gern gewusst, was aus Miguel geworden war. Es gibt nichts Schrecklicheres, als wenn Untalentierte sich der Kunst widmen. Vielleicht hatte er, ruiniert vor Armut, Hunger und Krankheit, in irgendeinem Krankenhaus ein Ende gefunden, oder er hatte in einem Anfall von Verzweiflung in der trüben Seine den Tod gesucht; aber vielleicht hatte er mit seiner südländischen Unbeständigkeit den Kampf freiwillig aufgegeben und hatte als Angestellter in irgendeinem Büro in Madrid seine glühende Sprache der Politik oder dem Stierkampf zugewandt.
Als alles fertig war, lud er Lawson und Hayward ein, sich seine neue Wohnung anzusehen; der eine erschien mit einer Flasche Whisky, der andere mit Gänseleberpastete, und er war glücklich, als sie seinen guten Geschmack lobten. Er hätte auch den schottischen Börsenmakler eingeladen, aber er hatte nur drei Stühle und konnte deshalb nur eine begrenzte Anzahl Gäste haben. Lawson wusste, dass Philip durch ihn Norah Nesbit kennengelernt hatte, und erwähnte nun, dass er ihr vor einigen Tagen begegnet sei.
»Sie hat gefragt, wie es dir gehe.«
Philip wurde rot bei der Erwähnung ihres Namens (er konnte die peinliche Angewohnheit nicht loswerden zu erröten, wenn ihn etwas in Verlegenheit brachte), und Lawson sah ihn forschend an. Lawson, der jetzt den größten Teil des Jahres in London zubrachte, hatte sich seiner neuen Umgebung insoweit angepasst, als er sein Haar nun kurz geschnitten hatte und einen sauberen Sergeanzug und eine Melone trug.
»Ich vermute, es ist zwischen euch aus?«
»Ich habe sie seit Monaten nicht mehr gesehen.«
»Sie sah recht hübsch aus. Sie hatte einen sehr eleganten Hut auf, mit einer Menge Straußenfedern darauf. Es scheint ihr sehr gut zu gehen.«
Philip wechselte das Thema, aber sie blieb in seinen Gedanken, und als sie nach einer Weile von etwas ganz anderem sprachen, fragte er plötzlich:
»Hattest du den Eindruck, dass Norah mir böse ist?«
»Nicht im Geringsten. Sie sprach sehr nett von dir.«
»Ich überlege mir, sie aufzusuchen.«
»Sie wird dich nicht beißen.«
Philip hatte oft an Norah gedacht. Als Mildred ihn verlassen hatte, hatte sein erster Gedanke ihr gegolten, und er sagte sich mit Bitterkeit, dass sie ihn nie so behandelt hätte. Er hatte den Wunsch, zu ihr zu gehen; er konnte sich auf ihr Mitleid verlassen; aber er schämte sich; sie war immer gut zu ihm gewesen, und er hatte sie abscheulich behandelt.
›Wenn ich nur vernünftig gewesen wäre und zu ihr gehalten hätte!‹, sagte er sich später, als Lawson und Hayward gegangen waren und er noch eine letzte Pfeife rauchte, ehe er zu Bett ging.
Er erinnerte sich der angenehmen Stunden, die sie zusammen in dem behaglichen Wohnzimmer am Vincent Square verbracht hatten, ihrer gemeinsamen Besuche in Museen und Theatern, der reizenden Abende voll vertraulicher Unterhaltung. Er rief sich ihre Sorge für sein Wohlergehen ins Gedächtnis zurück und ihre Anteilnahme. Sie hatte ihn mit einer Liebe geliebt, die gütig und beständig war; es war mehr als eine reine erotische Angelegenheit, es war fast etwas Mütterliches. Er hatte immer gewusst, dass es etwas Kostbares war, wofür er den Göttern danken müsse. Er beschloss, auf ihre Gnade zu hoffen. Sie musste fürchterlich gelitten haben, aber er fühlte, dass sie die Herzensgröße besaß, ihm zu verzeihen. Sie
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