Der Menschen Hoerigkeit
und ungesund, dass man des Lebens darin nicht sicher sei.«
»Die verdammten hygienischen Einrichtungen, mir geht es um Kunst!«, schrie Athelny. »Ich habe neun Kinder, und denen bekommt die schlechte Kanalisation ausgezeichnet. Nein, nein. Bleiben Sie mir nur mit Ihrem neumodischen Kram vom Leib. Wenn ich hier ausziehen muss, sehe ich erst nach, ob die Kanalisation auch schlecht ist, ehe ich etwas Neues nehme.«
Es klopfte, und ein kleines blondköpfiges Mädchen öffnete die Tür.
»Papa, Mama sagt, du sollst aufhören zu sprechen und nach oben kommen, zum Essen.«
»Das ist meine dritte Tochter«, sagte Athelny und wies mit dramatisch ausgestrecktem Zeigefinger auf sie. »Sie heißt María del Pilar, aber sie hört lieber auf Jane. Jane, deine Nase läuft.«
»Ich habe kein Taschentuch, Papa.«
»Ach, ach, Kind«, antwortete er und zog ein großes, leuchtend bedrucktes Kattuntuch heraus. »Wozu glaubst du wohl, hat dir der Allmächtige Finger gegeben?«
Sie gingen nach oben, und Philip wurde in ein Zimmer mit dunkler Eichentäfelung an den Wänden geführt. In der Mitte stand ein schmaler Tisch aus Teakholz auf einem Stützbock mit zwei Eisenstützen; in Spanien nennt man das mesa de herraje. Dort sollten sie essen, denn zwei Gedecke waren bereitgelegt, und zwei große Lehnstühle mit breiten, flachen Armlehnen und Lederrücken sowie Ledersitzen standen davor. Sie sahen feierlich, elegant und unbequem aus. Das einzige andere Möbelstück im Zimmer war ein bargueño, der mit kunstvollem vergoldetem Eisenwerk geschmückt war; er befand sich auf einem Podest in kirchlichem Stil, das ziemlich roh, aber doch sehr schön geschnitzt war. Darauf standen zwei oder drei Steingutteller, die zwar angeschlagen, aber herrlich bemalt waren; an den Wänden hingen alte Meister der Spanischen Schule in schönen, wenn auch lädierten Rahmen. Obwohl die Darstellungen grausig und durch Alter und schlechte Behandlung sehr mitgenommen und überhaupt zweitklassig waren, hatten sie doch eine leidenschaftliche Glut. Es gab eigentlich nichts im Zimmer, das Wert besaß, aber die Wirkung war herrlich. Es war großartig und doch streng. Philip spürte, dass es den echten Geist des alten Spaniens in sich trug. Athelny war gerade dabei, ihm den bargueño von innen zu zeigen, mit seinen wundervollen Ornamenten und Geheimfächern, als ein Mädchen hereinkam, dem zwei Zöpfe leuchtend brauner Haare über den Rücken fielen.
»Mutter sagt, das Essen sei fertig und warte. Ich soll es hereinbringen, sobald ihr Platz genommen habt.«
»Komm her und gib Mr. Carey die Hand, Sally.« Er wandte sich zu Philip. »Ist sie nicht enorm groß? Sie ist meine Älteste. Wie alt bist du, Sally?«
»Ich werde nächsten Juni fünfzehn, Vater.«
»Ich gab ihr den Taufnamen Maria del Sol, weil sie mein erstes Kind war und ich sie der glorreichen Sonne Kastiliens widmete; aber ihre Mutter nennt sie Sally und ihr Bruder Mondgesicht.«
Das Mädchen lächelte schüchtern, sie hatte ebenmäßige weiße Zähne, und errötete. Sie war schön gewachsen, groß für ihr Alter, mit angenehmen grauen Augen und einer hohen Stirn. Sie hatte rote Wangen.
»Geh und sag deiner Mutter, dass sie hereinkommen soll, um Mr. Carey zu begrüßen, ehe er sich setzt.«
»Mutter sagt, sie werde nach Tisch kommen. Sie hat sich noch nicht gewaschen.«
»Dann werden wir zu ihr gehen. Er soll den Yorkshire-Pudding nicht essen, ehe er nicht die Hand gedrückt hat, die ihn gemacht hat.«
Philip folgte seinem Gastgeber in die Küche. Sie war klein und vollgestopft. Es war viel Lärm zu hören, der aber sofort abbrach, als der Fremde eintrat. In der Mitte stand ein großer Tisch, um den Athelnys Kinder saßen und hungrig auf das Essen warteten. Am Herd stand eine Frau und nahm gebackene Kartoffeln heraus.
»Das ist Mr. Carey, Betty«, sagte Athelny.
»So etwas – ihn hier hereinzubringen! Was soll er denn denken?«
Sie hatte eine schmutzige Schürze um, und die Ärmel ihres baumwollenen Kleides waren bis über die Ellbogen aufgekrempelt; sie trug Lockenwickler im Haar. Mrs. Athelny war eine kräftige Frau, ein ganzes Stück größer als ihr Mann, blond, mit blauen Augen und einem freundlichen Gesicht; sie war ein hübsches Geschöpf gewesen, aber die Jahre und die Geburt der vielen Kinder hatten sie dick und schwammig gemacht; ihre blauen Augen waren verblasst, ihre Haut war grob und rot, ihre Haare hatten die Farbe verloren. Sie richtete sich auf, wischte sich sorgfältig
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