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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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die Hand an der Schürze und hielt sie ihm hin.
    »Herzlich willkommen, Sir«, sagte sie mit langsamer Stimme und mit einem Akzent, der Philip seltsam vertraut schien. »Athelny sagt, Sie seien so gut zu ihm gewesen im Krankenhaus.«
    »So, jetzt müssen Sie dem ganzen lebenden Inventar vorgestellt werden: Das ist Thorpe«, er wies auf einen pausbäckigen Buben mit lockigem Haar; »er ist mein ältester Sohn, Erbe des Titels, der Güter und der Verantwortung für die Familie. Das dort sind Athelstan, Harold, Edward.« Er wies mit dem Zeigefinger auf drei kleinere Jungen, alle rosig, gesund und fröhlich, die jedoch, als sie Philips lächelnde Augen auf sich fühlten, scheu auf ihre Teller niedersahen. »So, nun die Mädchen, der Reihe nach: Maria del Sol…«
    »Mondgesicht«, sagte einer der kleineren Buben.
    »Dein Humor ist sehr mangelhaft entwickelt, mein Sohn. María de las Mercedes, María del Pilar, María de la Concepción, María del Rosario.«
    »Ich nenne Sie Sally, Molly, Connie, Rosie und Jane«, sagte Mrs. Athelny. »So, Athelny, jetzt geh in dein Zimmer, und ich schicke euch das Essen hinein. Die Kinder lasse ich nachher auf ein Weilchen hineinkommen, wenn ich sie gewaschen habe.«
    »Meine Liebe, wenn ich dir hätte einen Namen geben müssen, hätte ich dich Maria von der Seifenlauge getauft. Ständig quälst du die armen Gören mit Seife.«
    »Gehen Sie vor, Mr.   Carey, sonst bringe ich ihn überhaupt nicht dazu, dass er sich hinsetzt und sein Essen isst.«
    Athelny und Philip richteten sich in den großen Mönchsstühlen ein, und Sally brachte ihnen zwei Teller mit Rindfleisch, Yorkshire-Pudding, gebackenen Kartoffeln und Kohl. Athelny nahm einen halben Shilling aus der Tasche und schickte sie fort, um einen Krug Bier zu holen.
    »Hoffentlich haben Sie nicht meinetwegen hier decken lassen«, sagte Philip. »Ich wäre genauso vergnügt unter den Kindern gewesen.«
    »Oh, nein, ich nehme meine Mahlzeiten immer allein ein. Ich mag die alten Bräuche gern. Ich finde, Frauen sollen nicht mit den Männern zu Tisch sitzen. Es stört jede Unterhaltung, und für sie ist es ganz bestimmt auch nicht gut. Es bringt sie auf Ideen, und Frauen fühlen sich nicht wohl, wenn sie Ideen haben.«
    Gastgeber und Gast aßen mit herzhaftem Appetit.
    »Haben Sie schon jemals einen solchen Yorkshire-Pudding gegessen? Niemand versteht ihn so gut zu machen wie meine Frau. Das ist der Vorteil, wenn man keine Dame heiratet. Sie haben bemerkt, dass sie keine Dame ist, nicht wahr?«
    Es war eine peinliche Frage, und Philip wusste nicht, was er antworten sollte.
    »Daran habe ich nie gedacht«, sagte er lahm.
    Athelny lachte. Er hatte ein eigenartig fröhliches Lachen.
    »Nein, sie ist keine Dame, nichts dergleichen. Ihr Vater war Bauer, und über ihre Sprache hat sie sich noch nie Gedanken gemacht. Wir haben zwölf Kinder gehabt; neun sind am Leben. Ich habe ihr gesagt, es sei Zeit, dass sie aufhöre; aber sie ist eigenwillig; sie hat sich daran gewöhnt, und ich glaube, sie wird nicht zufrieden sein, ehe sie zwanzig hat.«
    In diesem Augenblick trat Sally ein und brachte das Bier. Nachdem sie Philips Glas vollgeschenkt hatte, ging sie auf die andere Seite des Tisches hinüber, um ihrem Vater ein Glas einzugießen. Er legte den Arm um ihre Taille.
    »Haben Sie schon ein so hübsches, strammes Mädchen gesehen? Erst fünfzehn und könnte ebenso gut schon zwanzig sein. Sehen Sie sich ihre Wangen an. Sie ist in ihrem ganzen Leben noch nicht einen einzigen Tag krank gewesen. Ein glücklicher Mann, der sie heiratet, nicht, Sally?«
    Sally hörte sich das alles mit leichtem, leisem Lächeln an. Sie war nicht sehr verlegen, denn sie war diese Ausbrüche ihres Vaters gewohnt, aber es war etwas Keusches an ihr, das sie sehr anziehend machte.
    »Lass dein Essen nicht kalt werden, Vater«, sagte sie und entzog sich seinem Arm. »Du rufst wohl, wenn ihr mit dem Essen fertig seid und ich den Nachtisch bringen soll.«
    Sie waren allein, und Athelny hob den Zinnbecher an die Lippen. Er tat einen langen, kräftigen Schluck.
    »Gibt es überhaupt etwas Besseres als englisches Bier?«, sagte er. »Man sollte Gott danken für die einfachen Freuden: Roastbeef und Milchreis, einen guten Appetit und Bier. Ich war vor langer Zeit mit einer Dame verheiratet. Großer Gott! Heiraten Sie nur keine Dame, mein Lieber.«
    Philip lachte. Die Szene belustigte ihn: der lustige kleine Mann in seinen alten Sachen, der getäfelte Raum und die spanischen Möbel,

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