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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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und sie fanden bald heraus, dass sie vor Philip keine Furcht zu haben brauchten. Jane kam zu ihm, und es dauerte nicht lange, so saß sie auf seinen Knien. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass Philip im Kreis einer Familie weilte. Seine Augen lächelten, als sie auf den hübschen Kindern ruhten, die ganz vertieft dem Märchen zuhörten. Das Leben seines neuen Freundes, das auf den ersten Blick so exzentrisch wirkte, schien jetzt die Schönheit vollkommener Natürlichkeit zu besitzen. Sally kam wieder herein.
    »Kinder, kommt! Der Tee ist fertig«, sagte sie.
    Jane glitt von Philips Knien, und sie gingen alle in die Küche zurück. Sally deckte den langen spanischen Tisch.
    »Mutter lässt fragen, ob sie mit euch Tee trinken soll«, sagte sie. »Ich kann die Kinder versorgen.«
    »Sag deiner Mutter, dass es uns eine große Ehre ist, wenn sie uns die Gunst erweisen will, uns Gesellschaft zu leisten«, sagte Athelny.
    Philip schien es, als könne er nichts ohne rhetorische Schnörkel sagen.
    »Dann will ich für sie aufdecken«, sagte Sally.
    Gleich darauf kam Sally wieder und brachte ein Tablett mit einem Landbrot, einem Stück Butter und einem Topf Erdbeermarmelade herein. Während sie die Sachen auf den Tisch stellte, neckte ihr Vater sie. Er sagte, es wäre höchste Zeit, dass sie ausginge. Er sagte Philip, dass sie sehr stolz sei und nichts mit den Verehrern zu tun haben wolle, die in Zweierreihen vor der Tür der Sonntagsschule standen und begierig darauf warteten, sie nach Hause begleiten zu dürfen.
    »Du redest was zusammen, Vater«, sagte Sally mit ihrem langsamen, gutmütigen Lächeln.
    »Wenn man sie so sieht, würde man nicht glauben, dass ein Schneidergeselle sich zum Militär gemeldet hat, weil sie seinen Gruß nicht erwiderte, und dass ein Elektriker – jawohl, ein Elektrotechniker – zu trinken anfing, weil sie ihm nicht erlauben wollte, in der Kirche mit in ihr Gebetbuch hineinzusehen. Mir graut vor dem Gedanken, was wohl alles passieren wird, wenn sie erst einmal die Haare aufgesteckt tragen wird.«
    »Mutter bringt den Tee selbst mit«, sagte Sally.
    »Sally hört nie auf mich«, lachte Athelny und sah sie mit zärtlichen, stolzen Augen an. »Sie geht ihrer Arbeit nach und kümmert sich nicht um Krieg, Revolution oder Sintflut. Was für eine Frau sie einmal einem anständigen Mann sein wird!«
    Mrs.   Athelny brachte den Tee herein. Sie setzte sich hin und machte Butterbrote zurecht. Es belustigte Philip, mit anzusehen, dass sie ihren Mann so behandelte, als wäre er ein Kind. Sie strich ihm Marmelade aufs Brot und schnitt ihm essgerechte Häppchen zurecht. Sie hatte den Hut abgenommen und sah nun in ihrem Sonntagskleid, das ihr ein wenig eng war, wie eine der Bauernfrauen aus, die Philip, als er noch ein kleiner Junge war, gelegentlich mit seinem Onkel aufzusuchen pflegte. Dann wurde ihm auch plötzlich klar, warum der Klang ihrer Stimme ihm so vertraut war. Sie sprach gerade so wie die Leute in der Gegend von Blackstable.
    »Aus welcher Gegend kommen Sie?«, fragte er sie.
    »Ich stamme aus Kent. Ich komme aus Ferne.«
    »Das habe ich mir fast gedacht. Mein Onkel ist Vikar in Blackstable.«
    »Das ist aber wirklich lustig«, sagte sie. »Ich dachte gerade in der Kirche darüber nach, ob Sie etwa ein Verwandter Mr.   Careys sein könnten. Ich habe ihn manchmal gesehen. Eine meiner Kusinen hat Mr.   Barker, von Roxley Farm, drüben bei der Kirche von Blackstable, geheiratet, dort war ich öfters zu Besuch, als ich ein Mädchen war. Ist das nicht komisch?«
    Sie sah ihn mit neuerwachtem Interesse an, und in ihre verblühten Augen trat ein Glanz. Sie fragte ihn, ob er Ferne kenne. Es war ein hübsches Dorf, etwa zehn Meilen von Blackstable landeinwärts, und der Vikar war manchmal zum Erntedankfest nach Blackstable gekommen. Sie nannte die Namen verschiedener Bauern aus der Nachbarschaft. Sie war entzückt, dass sie wieder einmal vom Land reden konnte, in dem sie ihre Jugend verlebt hatte, und es bereitete ihr Freude, sich Szenen und Menschen zu vergegenwärtigen, die ihr aus jener Zeit tief im Gedächtnis geblieben waren. Auch in Philip erweckte es ein seltsames Gefühl. Es war, als wehe ein Luftzug vom freien Lande in den getäfelten Raum mitten in London hinein, als sähe er die fetten Felder von Kent mit den stattlichen Ulmen, und seine Nasenflügel weiteten sich von dem Geruch dieser Luft, die gesättigt ist mit dem Salz der Nordsee, das sie scharf und schneidend macht.
    Philip verließ

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