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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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kein Rouge aufgelegt hatte, war sie rund um die Augen doch noch ziemlich schwarz, da eine oberflächliche Morgenwäsche nicht alles entfernt hatte. So sah sie sehr krank aus. Es war eine rührende Gestalt, die da mit dem Baby im Arm aus der Droschke stieg. Sie schien ein wenig scheu, und sie wussten nur ein paar banale Worte miteinander zu sprechen.
    »Da bist du also.«
    »Ich habe in diesem Teil von London noch nie gewohnt.«
    Philip zeigte ihr das Zimmer. Es war dasselbe, in dem Cronshaw gestorben war. Philip war nie gerne hineingegangen, obwohl er sich selber lächerlich dabei vorkam. Seit Cronshaws Tod war er in dem kleinen Zimmer mit dem Feldbett geblieben, in das er damals übersiedelt war, damit sein Freund es behaglich hatte. Die Kleine schlief ruhig.
    »Du wirst sie vermutlich gar nicht wiedererkennen«, sagte Mildred.
    »Ich habe sie, seit wir sie damals nach Brighton brachten, nicht mehr gesehen.«
    »Wo soll ich sie hinlegen? Sie ist so schwer; ich kann sie nicht lange tragen.«
    »Eine Wiege habe ich leider nicht«, sagte Philip mit etwas nervösem Lachen.
    »Ach, sie kann bei mir schlafen. Das haben wir immer getan.«
    Mildred legte das Kind in einen Lehnstuhl und sah sich im Zimmer um. Sie erkannte die meisten Sachen aus seiner alten Wohnung wieder. Nur eines war neu, ein Brustbild, das Lawson Ende vorigen Sommers von Philip gemalt hatte. Mildred betrachtete es kritisch.
    »In mancher Hinsicht mag ich es gern, in anderer wieder nicht. In Wirklichkeit siehst du besser aus, glaube ich.«
    »Das ist das erste Mal«, lachte Philip, »dass ich von dir überhaupt höre, dass ich gut aussehe.«
    »Ich gehöre nicht zu denen, die sich über die Schönheit eines Mannes große Gedanken machen. Ich kann hübsche Männer eigentlich nicht leiden. Sie sind mir zu eingebildet.«
    Ihre Augen wanderten umher und suchten instinktiv nach einem Spiegel; aber es war keiner vorhanden. Sie hob ihre Hand und strich ihren langen Pony glatt.
    »Was werden die Leute hier im Haus dazu sagen, dass ich da bin?«, fragte sie plötzlich.
    »Ach, hier wohnt nur ein Mann mit seiner Frau. Er ist den ganzen Tag über fort. Und sie sehe ich nie, nur samstags, wenn ich die Miete bezahlen gehe. Mit keinem von beiden habe ich mehr als zwei Worte gewechselt, seit ich hier bin.«
    Mildred ging in das Schlafzimmer, um ihre Sachen auszupacken und einzuordnen. Philip versuchte zu lesen, aber er war zu vergnügt dazu. Er lehnte sich im Stuhl zurück, rauchte eine Zigarette und sah mit lächelnden Augen auf das Kind. Er fühlte sich sehr glücklich. Er war völlig sicher, dass er nicht mehr in Mildred verliebt war. Es wunderte ihn, dass das alte Gefühl ihn so völlig verlassen hatte; er entdeckte an sich sogar eine leichte physische Abneigung ihr gegenüber und meinte, er würde eine Gänsehaut bekommen, wenn er sie auch nur anfassen müsste. Er konnte sich nicht verstehen. Bald darauf klopfte es, und sie kam herein.
    »Hör mal, klopfen brauchst du nicht«, sagte er. »Hast du dich schon überall im ganzen Palast umgesehen?«
    »Das ist die kleinste Küche, die mir je untergekommen ist.«
    »Du wirst sie für unsere verschwenderischen Mahlzeiten groß genug finden«, entgegnete er leichthin.
    »Ich habe schon gesehen, dass nichts da ist. Es ist wohl am besten, wenn ich einkaufen gehe.«
    »Ja. Aber darf ich dich daran erinnern, dass wir verteufelt sparsam sein müssen?«
    »Was soll ich zum Abendessen besorgen?«
    »Das Beste wird sein, du holst etwas, was du nachher auch kochen kannst«, sagte Philip lachend.
    Er gab ihr etwas Geld, und sie ging fort. Eine halbe Stunde später kam sie zurück und legte ihre Einkäufe auf den Tisch. Sie war vom Treppensteigen ganz außer Atem.
    »Bist du aber blutarm!«, sagte Philip. »Ich werde dir Blauds Pillen geben müssen.«
    »Es hat ein wenig gedauert, ehe ich die Läden fand. Ich habe etwas Leber gekauft. Die schmeckt gut, nicht wahr? Und viel kann man davon nicht essen; infolgedessen ist es billiger als anderes Fleisch.«
    In der Küche war ein Gasherd, und nachdem Mildred die Leber aufgesetzt hatte, kam sie ins Wohnzimmer zurück, um den Tisch zu decken.
    »Warum deckst du nur für eine Person?«, fragte Philip. »Willst du denn nichts essen?«
    Mildred wurde rot. »Ich dachte, du würdest vielleicht nicht so gern mit mir zusammen essen.«
    »Warum denn, um Himmels willen?«
    »Weil ich doch eigentlich als Dienstmädchen hier bin.«
    »Sei kein Esel. Wie kann man bloß so dumm sein.«
    Er lächelte,

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