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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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wissen, ob sie je etwas von General Gordon gehört hätten.«
    So kam die Ungeheuerlichkeit an den Tag, dass der neue Direktor eine Manie für Allgemeinbildung hatte. Er zweifelte an der Nützlichkeit eingepaukter Prüfungsweisheiten. Er verlangte gesunden Menschenverstand.
    Sighs wurde jeden Monat bekümmerter; er konnte die Angst nicht loswerden, dass Mr.   Perkins eines Tages von ihm verlangen würde, ein Datum für seine Hochzeit festzulegen; und er fand den Standpunkt des Direktors der klassischen Literatur gegenüber ungeheuerlich. Es bestand kein Zweifel, dass er ein trefflicher Gelehrter war; er schrieb sogar an einer Arbeit, die durchaus der Tradition entsprach, nämlich an einer Abhandlung über den Baum in der lateinischen Literatur; aber er sprach leicht abfällig über dieses Werk, als handle es sich um einen Zeitvertreib von nicht allzu großer Wichtigkeit, wie etwa Billard, was er in seiner Freizeit spielte, aber nicht allzu ernst nahm. Squirts, der die Dritte unter sich hatte, wurde von Tag zu Tag ungehaltener.
    In seine Klasse wurde Philip gesteckt, als er in die Schule eintrat. Reverend B.B. Gordon war ein Mann, der von Natur aus nur geringe Eignung zum Lehrer besaß: Er war ungeduldig und cholerisch. Und da er von niemandem zur Verantwortung gezogen wurde und es nur mit kleinen Jungen zu tun hatte, war ihm längst jeder Rest von Selbstbeherrschung abhandengekommen. Er fing seine Arbeit wutschnaubend an und beendete sie tobend. Er war ein Mann von mittlerer Größe und korpulenter Statur; er hatte helles, sehr kurz geschnittenes Haar, das zu ergrauen begann, und einen kleinen, borstigen Schnurrbart. Sein breites Gesicht mit den verschwommenen Zügen und den kleinen blauen Augen lief bei seinen häufigen Wutausbrüchen dunkelblau an. Seine Nägel waren bis aufs Fleisch abgenagt, denn während irgendein bibbernder Junge übersetzte und analysierte, saß er, bebend vor Zorn, hinter seinem Pult und biss an ihnen herum. Über seine Gewalttätigkeiten waren Geschichten im Umlauf, die vielleicht übertrieben waren; zwei Jahre zuvor hatte es in der Schule einige Aufregung gegeben, als bekannt wurde, dass einer der Väter mit einer Klage drohe: Er hatte einem Jungen namens Walters mit einem Buch eine so heftige Ohrfeige gegeben, dass dessen Gehör beeinträchtigt war und der Junge von der Schule genommen werden musste. Der Vater des Jungen lebte in Tercanbury, und damals war die ganze Stadt empört gewesen; die Lokalzeitung hatte sich der Sache angenommen; aber Mr.   Walters war nur ein Bierbrauer, und daher waren die Sympathien geteilt. Der Rest der Jungen, die mit dem Fall logischerweise bestens vertraut waren, stellte sich in dieser Angelegenheit auf die Seite des Lehrers, obwohl sie ihn hassten, und um ihre Entrüstung darüber zu zeigen, dass schulische Dinge außerhalb der Schule abgehandelt wurden, machten sie Walters’ jüngerem Bruder, der an der Schule blieb, das Leben so ungemütlich wie möglich. Aber Mr.   Gordon war dem Landleben nur mit knapper Not entkommen und schlug seither keinen Jungen mehr. Den Lehrern wurde verboten, die Jungen mit dem Stock auf die Hände zu schlagen, und Squirts konnte seinen Zorn nicht länger damit unterstreichen, dass er mit dem Stock auf das Katheder schlug. Ihm war lediglich noch erlaubt, einen Jungen an den Schultern zu nehmen und ihn zu schütteln. Ungezogene oder widerspenstige Jungen ließ er noch immer zehn Minuten bis eine halbe Stunde lang mit ausgestrecktem Arm stehen, und verbal war er noch genauso gewalttätig wie früher.
    Kein Lehrer wäre ungeeigneter gewesen, einen so schüchternen Knaben wie Philip zu unterrichten. In die Schule war er mit weniger Furcht eingetreten als an seinem ersten Tag bei Mr.   Watson. Mittlerweile kannte er eine Menge Jungen, die mit ihm in der Vorbereitungsschule gewesen waren. Er fühlte sich erwachsener und erkannte instinktiv, dass für die Mehrzahl sein deformierter Fuß an Interesse verloren hatte. Aber vom ersten Tag an pflanzte Mr.   Gordon Schrecken in sein Herz; und der Lehrer wiederum, der mit scharfem Blick erkannte, welche Jungen sich vor ihm fürchteten, entwickelte gerade deshalb eine besondere Abneigung gegen diese. Philip hatte gern gelernt, nun aber betrachtete er die Schulstunden mit Abscheu. Ehe er eine Antwort wagte, die vielleicht unrichtig war und einen Sturm von Schmähungen hervorrief, saß er still und blöde da, und wenn die Reihe an ihn kam, wurde er grün und bleich vor Angst. Glücklich

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