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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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ablehnend. Es zeigte sich, dass sie ganz gut Tennis spielten, und Philip war es leid, mit Miss Wilkinson Netzball zu spielen – sie hatte erst bei ihrer Ankunft in Blackstable mit dem Tennisspielen begonnen. Und als nach dem Tee die Partien zusammengestellt wurden, schlug er vor, dass Miss Wilkinson mit dem Kurat und seiner Frau und er selbst mit den beiden jungen Mädchen spielen sollte. Er setzte sich zu der älteren Miss O’Connor und sagte leise:
    »Lassen wir zuerst die Stümper spielen; dann kommen wir dran!«
    Offenbar hatte Miss Wilkinson diese Bemerkung gehört, denn sie warf ihren Schläger hin, erklärte, dass sie Kopfschmerzen habe, und ging davon. Jeder merkte, dass sie beleidigt war. Philip ärgerte sich, dass sie es so öffentlich zeigte. Es wurde ohne sie gespielt, aber nach einer Weile rief ihn Mrs.   Carey.
    »Philip, du hast Emily gekränkt. Sie ist in ihr Zimmer hinaufgegangen und weint.«
    »Warum?«
    »Du hast etwas von Stümpern gesagt. Geh hinauf und entschuldige dich bei ihr, sei so gut.«
    »In Ordnung.«
    Er klopfte an Miss Wilkinsons Tür, bekam aber keine Antwort und trat ein. Miss Wilkinson lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett und weinte. Er berührte ihre Schulter.
    »Was ist denn los mit dir?«
    »Lass mich. Ich will nichts mehr von dir wissen.«
    »Was habe ich denn getan? Es tut mir furchtbar leid, dich gekränkt zu haben. Ich habe es nicht böse gemeint. Steh doch auf!«
    »Ich bin unglücklich. Wie konntest du so gemein zu mir sein! Du weißt, wie ich dieses dumme Spiel hasse. Ich spiele überhaupt nur dir zuliebe.«
    Sie stand auf und ging zum Toilettentisch. Aber nach einem raschen Blick in den Spiegel ließ sie sich in einen Stuhl sinken. Sie ballte ihr Taschentuch zusammen und tupfte sich damit die Augen ab.
    »Ich habe dir das Höchste gegeben, was eine Frau einem Mann geben kann – oh, wie dumm ich war –, und so dankst du es mir. Du bist herzlos. Wie könntest du sonst so grausam sein, in meiner Gegenwart mit diesen albernen Dingern zu flirten? Wir haben kaum mehr zehn Tage vor uns. Kannst du mir nicht einmal die schenken?«
    Philip stand mit finsterem Gesicht neben ihr. Er fand ihr Benehmen kindisch. Es verdross ihn, dass sie vor anderen so wenig Selbstbeherrschung zeigte.
    »Du weißt genau, dass ich mir nicht das Geringste aus den beiden Mädchen mache. Wie kommst du überhaupt darauf?«
    Miss Wilkinson legte ihr Taschentuch fort. Die Tränen hatten Spuren auf dem gepuderten Gesicht zurückgelassen, und ihr Haar war ein wenig in Unordnung geraten. Ihr weißes Kleid stand ihr nicht besonders gut in diesem Moment. Sie blickte Philip mit leidenschaftlichen, hungrigen Augen an.
    »Weil du zwanzig bist und sie auch«, sagte sie heiser. »Und ich bin alt.«
    Philip wurde rot und schaute weg. Die Angst in ihrer Stimme ließ ein unbehagliches Gefühl in ihm aufkommen. Er wünschte von ganzem Herzen, sich nie mit Miss Wilkinson eingelassen zu haben.
    »Ich will dich nicht unglücklich machen«, sagte er ungeschickt.
    »Geh jetzt hinunter und kümmere dich um deine Gäste! Sie werden sich schon wundern, wo du bleibst.«
    »In Ordnung.«
    Er war froh, von ihr wegzukommen.
    Dem Streit folgte bald eine Versöhnung, aber die wenigen Tage, die noch blieben, waren für Philip nicht ganz leicht. Er wollte am liebsten über die Zukunft sprechen, aber die Zukunft brachte Miss Wilkinson beständig zum Weinen. Anfangs hatten ihn ihre Tränen gerührt und zu heftigen Beteuerungen seiner unsterblichen Leidenschaft hingerissen; nun aber irritierten sie ihn. Bei einem Mädchen mochte das wohl angehen, bei einer erwachsenen Person aber fand er es albern, so viel zu weinen. Sie hörte nie auf, ihn an seine Dankesschuld zu erinnern. Nie könnte er ihr zurückzahlen, was sie für ihn getan hatte. Er gab dies zu, da sie es immer wieder betonte, verstand aber im Grunde nicht, warum er ihr dankbarer sein sollte als sie ihm. Sie verlangte, dass er ihr seine Erkenntlichkeit zeigte, auf eine Art, die ihm ziemlich lästig war. Er war gewohnt, viel allein zu sein, und manchmal sehnte er sich danach, aber Miss Wilkinson betrachtete es als Unfreundlichkeit, wenn er ihr nicht jeden Augenblick des Tages zur Verfügung stand. Die O’Connors luden sie beide zum Tee ein, und Philip wäre gerne hingegangen, aber Miss Wilkinson erklärte, sie hätten nur mehr fünf Tage, und in diesen wolle sie ihn ganz für sich haben. Das war schmeichelhaft, aber langweilig. Miss Wilkinson erzählte ihm von der

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