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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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überfallen!«
    »Blödsinn!«, explodierte Amanda, machte eine ausladende Handbewegung und fegte dabei ihre Kaffeetasse vom Tisch, die auf dem Steinfußboden zerbrach.
    Jonathan sprang auf und sammelte die Scherben auf. Amanda registrierte es wohlwollend, sagte aber nichts.
    Sofia hörte, dass Jonathan die Scherben aufsammelte, er musste einen fürchterlichen Eindruck von ihrer Mutter haben. Daher sagte sie verunsichert und sehr zaghaft: »Meine Mutter möchte Sie heute zum Mittagessen einladen. Um eins, wenn Sie mögen.«
    Jonathan drehte sich allein bei dem Gedanken, dass Amanda mit ihren vom Rauchen gelblichen Wurstfingern das Essen zubereiten würde, der Magen um. Und das Chaos, das sie dabei veranstalten würde, konnte er sich außerdem lebhaft vorstellen.
    Er lächelte gequält, nickte Amanda zu und sagte: »Grazie. Das ist wirklich furchtbar nett.«
    Sofia übersetzte, und Amanda schnaufte: »Va bene.« Sie angelte nach ihren Zigaretten, zündete sich eine an und blies Jonathan den Rauch ungeniert ins Gesicht.
    Jonathan versuchte es zu ignorieren.
    »Ich brauche ein Auto«, sagte er zu Sofia, denn ihm wurde siedend heiß klar, dass er hier auf La Passerella festsaß. Er konnte nirgendwohin fahren, nichts einkaufen, konnte nicht essen gehen, war Amandas Gesellschaft und Kochkünsten hilflos ausgeliefert. Außerdem musste er dringend zu einem Geldautomaten.
    »Wissen Sie, wo ich ein kleines, billiges gebrauchtes Auto kaufen kann?«
    Sofia schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich werde mit Bappo sprechen. Er weiß das ganz bestimmt, und vielleicht kann er Sie irgendwohin fahren, wo Sie ein Auto kaufen können.«
    »Das wäre wunderbar.«
    Amanda rülpste, drückte ihre Zigarette aus und stand auf. Dabei kippte der Stuhl um, was sie überhaupt nicht beachtete. Ohne ein weiteres Wort schleppte sie sich aus der Küche.
    Jonathan hob den Stuhl auf und schob ihn zurück unter den Tisch.
    »Tut mir leid, meine Mutter ist manchmal etwas anstrengend«, murmelte Sofia.
    »Kein Problem. – Schneiden Sie sich nicht, ich habe die Scherben in die Spüle gelegt, oder wo finde ich hier einen Mülleimer?«
    »Hinter der Tür unten, ganz rechts.«
    »Okay.« Jonathan stopfte die Scherben in eine bereits übervolle Mülleimertüte, räumte das restliche Geschirr vom Tisch und stapelte es in der Spüle.
    »Danke für den Kaffee und bis nachher«, sagte er und verließ die Küche.
    Jonathan zog sich zurück. Er wollte ein bisschen Ruhe haben und von der Familie Valentini nicht gleich am ersten Tag einverleibt und aufgefressen werden.
    Es war gerade halb elf, und er kam sich merkwürdig vor, als er jetzt etwas verloren in der primitiven Wohnung stand.
    Er holte seinen Laptop und das Netzteil aus dem Koffer und sah sich um. Auf den ersten Blick konnte er nirgends eine Steckdose entdecken. Also begann er systematisch die Zimmerwände abzusuchen. Schließlich fand er eine Steckdose hinter dem Bett und eine hinter der kleinen Kommode unterm Fenster, auf der noch ein Zierkürbis aus dem Herbst lag. Aber beide waren italienische Steckdosen, und für seinen Computer sowie das Aufladegerät seines Handys brauchte er einen Adapter. Jonathan seufzte. Es wurde immer komplizierter.
    Er zog sich seine Jacke an und ging hinaus, wollte die Umgebung kennenlernen, die zumindest eine Zeit lang seine neue Heimat werden sollte.
     
    Vor dem Haus war niemand zu sehen, und er wanderte los.
    Nach ungefähr dreihundert Metern teilte sich die Schotterstraße, und er musste sich entscheiden, ob er nach links oder nach rechts gehen wollte. Instinktiv entschied er sich für rechts, denn er vermutete, dass er gestern Abend mit Riccardo von links gekommen war.
    Jonathan ging langsam, aber stetig bergauf. Ab und zu warf er einen Blick ins Tal. Ambra lag immer noch vollständig im Nebel. Es roch nach feuchtem Zedernholz, und weit entfernt hörte er eine Motorsäge im Wald.
    Die Bäume standen jetzt dichter und waren größer und dicker als zu Beginn des Weges. Alter Baumbestand, wie er ihn liebte. Es wurde dunkler auf dem Weg, und er musste aufpassen, auf dem feuchten, glitschigen Laub nicht auszurutschen.
    An der nächsten Weggabelung hielt er sich wieder rechts. Vielleicht kann ich ja den Berg auf diesem Weg umrunden, dachte er, dann bekomme ich einen Eindruck von der gesamten Umgebung.
    Der Wald wurde allmählich lichter, und nach fünfhundert Metern sah er unterhalb des Weges weite Olivenhaine, in denen einige Olivenbauern mit ihren Familien dabei waren, die

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