Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
und drehte ihm dann den Rücken zu, um ein Papiertuch aus dem Spender zu reißen. Damit tupfte sie vorsichtig ihre Augen ab.
»Er hat gesagt, meine einzige Hoffnung seien neue Hornhäute. Aber es ist schwer, die zu bekommen, hat er auch gesagt. Die Wartezeiten sind lang. Es gibt nicht viele Hornhautspender«, erklärte sie und verstummte dann. Ihre Blicke begegneten sich, und er sah, dass ihre Augen voller Tränen waren. Als er begriff, dass es mit dem Licht zu tun hatte, sprang er zum Schalter, machte es aus, und sie standen in der Dunkelheit. Vielleicht wagte sie es deshalb, ihr Gesicht an seine Brust zu drücken.
»Manchmal möchte ich mich nur in der Dunkelheit vergraben«, |274| murmelte sie. »Einfach nur die Augen schließen und das Licht draußen lassen.«
Er küsste sie und hielt sie fest umarmt.
»Wir schaffen das gemeinsam, das verspreche ich dir. Wir finden eine Lösung.«
»Glaubst du wirklich?«
Ihr Zweifel war so herzergreifend. In weiter Ferne schrillten zwar Alarmglocken in ihm, aber er ignorierte sie und wusste, dass er ohnehin alles für sie tun würde.
»Das glaube ich nicht nur, ich weiß es sogar«, versprach er ihr, ohne jedoch den leisesten Schimmer zu haben.
[ Menü ]
|275| Kapitel 40
Drei identische Morde, die alle geographisch an Fußballstadien gebunden waren und in die möglicherweise Neonazis als Handlanger verwickelt waren. Patienten, die nach scheinbar harmlosen Operationen an schweren Infektionen starben. Alles nur Geschäft? Aber welche Art von Geschäft? Und was hatte Peter Boutrup damit zu tun, wenn überhaupt? Könnte es sein, dass er in Wirklichkeit nur bluffte?
Auf der Fahrt zum Skejby Krankenhaus saß Dicte grübelnd im Wagen und trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum.
Es musste einen Zusammenhang geben, könnte er mit den Operationen zu tun haben? An den drei Leichen war gewissermaßen auch eine Operation durchgeführt worden, soweit sie mitbekommen hatte, zwar post mortem, aber immerhin. Oberschenkelknochen und Augen zu entfernen, konnte nicht jeder durchführen. Das erforderte ein Mindestmaß an anatomischem Wissen.
An der nächsten Kreuzung bog sie links zum Krankenhaus ab und musste auch dieses Mal lange nach einem Parkplatz suchen. Währenddessen sagte sie sich unentwegt, dass sie nicht vorhatte, diesem merkwürdigen Menschen, den sie überhaupt nicht kannte, eine Niere zu spenden. Das kam nicht in Frage. Ihr Entschluss stand fest: Sie schuldete ihm nichts.
Aber warum hatte sie dann diesem Informationsgespräch zugestimmt, das in wenigen Minuten stattfinden würde?
Als sie endlich eine Parklücke gefunden hatte, blieb sie noch einen Augenblick im Wagen sitzen. Erst als sie sich selbst gut zugeredet hatte, dass dieses Gespräch die Möglichkeit war, dem Kern des Stadion-Falls näher zu kommen, war sie in der Lage, die Tür zu öffnen und auszusteigen. Aber ihre Beine zitterten, und sie war sich keineswegs sicher, wohin ihre Reise ging.
|276| »Benedicte Svendsen?«
Die Krankenschwester war eine imposante Frau und hatte eine sehr freundliche Stimme. Sie war groß und üppig, aber trotzdem weiblich auf eine eher mütterliche Weise.
»Lassen Sie uns in mein Büro gehen.«
Sie öffnete eine Tür zu einem Raum, der so freundlich aussah, wie sie wirkte. Und trotzdem hatte das alles nichts Beruhigendes. Dicte blieb in der Tür stehen und versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Aber es war, als würde ihr die Luft aus den Lungen gepresst werden und im Hals steckenbleiben.
»Sie haben keinen Grund, nervös zu sein. Wir unterhalten uns nur ein bisschen.«
Sie reichte ihr die Hand.
»Ich heiße Inger Hørup und bin die zuständige Stationsschwester auf dieser Transplantationsstation.«
Dicte nickte.
»Und ich bin Peter Boutrups leibliche Mutter.«
Es kostete sie große Überwindung, das zu sagen, und es klang auch nicht überzeugt. Sie hörte sich nicht an wie eine Mutter, die einen todkranken Sohn hat.
»Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie Ihren Sohn seinerzeit also zur Adoption freigegeben?«
Dicte nickte und setzte sich auf den Stuhl, den ihr die Krankenschwester angeboten hatte.
»Heißt das, Sie beide kennen einander überhaupt nicht?«
»Ich weiß über seine Krankheit Bescheid.«
»Und Sie haben also vor, ihm eine Niere zu spenden?«
Sie nickte erneut.
Inger Hørup blätterte in ein paar Unterlagen auf dem Schreibtisch und reichte ihr dann eine Broschüre.
»Für uns ist es äußerst wichtig, dass die
Weitere Kostenlose Bücher