Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Beerdigungsinstitute.
»Ich glaube nach wie vor nicht an ein Leben nach dem Tod. Aber ich mache mir Gedanken über den Tod, ja, das tue ich.«
|282| Er hatte niemandem gegenüber ein Wort über seinen morgendlichen »Anfall« erwähnt, wie er es nannte. Aber Gormsen bekam jetzt die kurze Variante erzählt. Zu Wagners großer Überraschung quittierte dieser die Geschichte mit breitem Grinsen.
»Ehrlich gesagt, klingt das für mich eher nach einem Speiseröhrenkatarrh als nach irgendetwas anderem. Glaube einem Spezialisten, der sich seit fünfundzwanzig Jahren damit herumschlägt.«
Der zartbesaitete Magen von Paul Gormsen war in Kollegenkreisen durchaus bekannt. Wagner erinnerte sich ausgezeichnet an einen Abend, an dem Ida Marie Thai gekocht hatte und Gormsen am Ende ein paar Schnittchen hatte schmieren müssen, weil dieser allergisch reagierte. Insgeheim hatte Wagner seinen Freund damals zugegebenermaßen um die Leberwurstschnitten und Käsehäppchen beneidet.
»Du darfst es mir auch als Fachmann glauben. Immerhin bin ich Arzt, obwohl ich ein bisschen aus der Übung bin, Patienten zu heilen. Aber ganz unfähig zu diagnostizieren, bin ich deswegen noch lange nicht.«
Er klopfte sich auf die Brust, um anzuzeigen, wo der Schmerz sitzt. Wagner bestätigte es: quer über die Brust, beginnend an der Speiseröhre.
»Dein Anfall klingt exakt so wie das, was ich bekomme, wenn ich zu viel Kaffee getrunken oder Zimt und Zucker auf meinen Haferbrei gestreut habe.«
»Das heißt also, dass ich noch eine Weile zu leben habe?«, sagte Wagner.
Gormsen hob die Klarsichthülle hoch.
»Das will ich doch meinen, und es ist auch mehr als notwendig. Schließlich müssen wir doch los und Verbrecher fangen.«
»Wir?«
»Diese Tablette, die ihr in der Wohnung in der Jægersgårdsgade gefunden habt. Der Bericht des Labors ist uns gerade zugeschickt worden. Und da dachte ich, ich komme am besten gleich bei dir vorbei.«
|283| »Flunitrazepam?«
Gormsen nickte.
»Die Tablette ist von der Firma Actavis hergestellt und trägt den Markennamen Flunipam 2mg. Ein paar von denen in den Drink und die Welt ist ein einziger Traum.«
»Könnt ihr ermitteln, wie viele sie davon im Blut hatte?«
Gormsen schüttelte den Kopf.
»Leider nicht exakt. Aber die Konzentration in ihrem Blut war nahe an einer Vergiftung. Sie ist ausgeknipst worden, das können wir mit Sicherheit sagen.«
»Und der Wirkstoff ist derselbe wie in der Dating-Droge? Rohypnol?«
»Der Effekt ist identisch. Erinnerst du dich noch daran, dass man früher Rohypnol einfach nur Roche nannte oder ›Forgetme-pill‹?«
»›Vergiss-mich-Pille‹«, übersetzte Wagner. »Aber wir vergessen zum Glück nicht. Das muss ausreichen für eine Anklage gegen unseren Mann in der Jægersgårdsgade.«
»Du glaubst, dass er es war?«
Wagner schüttelte den Kopf und gab Gormsen die Klarsichthülle zurück.
»Ich weiß es nicht. Aber lass es mich mal so formulieren: Sollte er vollkommen unschuldig sein, dann darfst du mich ab jetzt Heini nennen.«
Gormsen lächelte.
»Was haben Namen schon für eine Bedeutung. Ich hoffe, ihr findet ihn.«
»Wir wissen ja, wo er wohnt«, sagte Wagner. Er wusste, dass es ein bisschen so klang wie bei den Typen, die von Sozialarbeitern, Pflegepersonal, Busfahrern, Ärzten oder anderen Personengruppen genervt waren, wenn die nicht so wollten wie sie: Ich weiß, wo du wohnst! Er selbst war bisher noch keinen Drohungen dieser Art ausgesetzt worden, aber er kannte Polizisten, die daran beinahe zugrunde gegangen waren.
Aber es gab nun einmal Umstände, die den Besuch in der Privatsphäre |284| unabwendbar machten, und dieser war einer davon. Er rief seinen Chef Kristian Hartvigsen an und vereinbarte mit ihm, dass sie Arne Bay festnehmen würden und innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von vierundzwanzig Stunden den Antrag auf Sicherheitsverwahrung stellen würden. Er überlegte kurz, ob er den Vorgang auch juristisch abklären lassen sollte, entschied sich aber dagegen. Sie hatten nur Indizien, und er würde gern zuerst mehr Sicherheit darüber haben, dass Bay tatsächlich in den Mord an Mette Mortensen verwickelt war, bevor die gesamte Kavallerie zum Angriff blies. Hinterher rief er Jan Hansen an:
»Wir fahren bei Bay vorbei und nehmen zwei von den Jungs zur Verstärkung mit«, kündigte Wagner an. »Wenn er nicht bei der Arbeit ist. Könntest du das mal eben überprüfen?«
Jan Hansen erkundigte sich beim Krankenhaus. Bay hatte laut Plan
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