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Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
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Familienangehörigen, die sich zu einer Lebendspende bereit erklären, wissen, worauf sie sich einlassen. Es ist eine bedeutende, sehr persönliche Schenkung, eine Niere zu spenden, und wir möchten absolut sichergehen, dass sie freiwillig erfolgt.«
    |277| Dicte wurde von einem Augenpaar eindringlich angesehen, in ihr kämpfte der Zweifel, aber sie antwortete dennoch:
    »Selbstverständlich erfolgt sie freiwillig.«
    Inger Hørup blätterte in einem Exemplar der Broschüre und sah dann wieder hoch. Dicte fühlte sich, als würde sie geröntgt werden.
    »Wir müssen auch sicher sein, dass kein Geld im Spiel ist. Oder andere Leistungen, wenn ich das so formulieren darf.«
    »Ja, das können Sie. Es ist nichts dergleichen.«
    Dann erläuterte ihr die Stationsschwester das gesamte Prozedere. Zuerst würden sie ihr Blut abnehmen, um eine Blut- und Gewebetypisierung durchführen zu können.
    »Wir möchten zuerst abklären, dass Ihnen nichts fehlt, und diese Untersuchungen dauern etwa vier Tage. Sie können selbst entscheiden, ob Sie das ambulant machen oder in unserem Patientenhotel übernachten wollen.«
    »Ich mache das ambulant«, entschied sich Dicte. »Ich wohne in der Nähe.«
    Erneut sah Inger Hørup sie prüfend an, ehe sie fortfuhr.
    »Wenn das so ist, würde ich gerne als Erstes einen DNA-Test durchführen, um den Familienstatus eindeutig abzuklären. Wäre das in Ordnung?«
    Diesen Gedanken hatte sie bisher nicht gehabt, zumindest nicht bis in letzter Konsequenz. Konnte es tatsächlich einen Zweifel geben? Aus irgendeinem Grund wollte sie diese Möglichkeit nicht an sich heranlassen, aber sie wusste nicht so recht, warum nicht.
    »Ja, das ist in Ordnung«, erwiderte sie mit trockenem Mund.
    »Was ist mit dem leiblichen Vater?«
    »Was sollte mit ihm sein?«
    Inger Hørup beschäftigte sich mit den Unterlagen vor sich.
    »Wenn wir es vom medizinischen Standpunkt aus betrachten, geht es darum, den geeignetsten Spender zu finden. Das könnte bei einem männlichen Empfänger unter Umständen eher der Vater sein als die Mutter.«
    |278| Dicte versuchte, den Kloß im Hals herunterzuschlucken, aber der Druck wurde dadurch nicht weniger. Das hier hatte sie nicht erwartet.
    »Der Vater lebt, aber er ist keine Option«, sagte sie unter großer Anstrengung.
    »Und Sie sind sich da ganz sicher?«
    Sie war sich überhaupt nicht mehr sicher. Nur eines wusste sie genau, sie musste so schnell wie möglich an die frische Luft.
    »Absolut sicher«, antwortete sie.
    Der Blick der Stationsschwester ruhte erneut lange auf ihr, und sie hatte den Eindruck, mit einer Lupe untersucht zu werden.
    »Es gibt immer einen Ausweg, das sollten Sie wissen. Wir können jederzeit eine medizinische Indikation vorlegen, warum Sie als Spenderin nicht in Frage kommen, damit keine Schwierigkeiten mit den Familienangehörigen entstehen.«
    Das war ein sehr konkreter Rettungsanker, und er war so verlockend, dass sie fast zugegriffen und sich daran festgeklammert hätte. Aber sie war sich bewusst, dass sie auch den nächsten Schritt machen musste.
    »Ich bin sicher, dass dies nicht notwendig sein wird.«
     
    Als sie das Büro der Stationsschwester verließ, hatten sie vereinbart, dass sie nächste Woche für die notwendigen Untersuchungen wiederkommen würde. Sie würde das Vorhaben nicht bis in letzte Konsequenz durchführen, darüber war sie sich jetzt im Klaren. Aber diese Entscheidung würde ihr nicht leichtfallen. Wie sollte sie sich von dieser Verantwortung lossagen und damit ihren Sohn seinem Schicksal überlassen. Vielleicht würde sie es gar nicht aushalten können, ihre Niere nicht zu spenden. Die Wahrheit aber war auch, dass sie seinen Spielregeln folgen musste und dass es in diesem Spiel einen Gewinner und einen Verlierer geben würde. Sie hatte nicht vor zu verlieren, aber wollte eigentlich auch nicht gewinnen.
    Sie vermisste Bo, der ihr jetzt predigen würde, wie wichtig es |279| war, sich selbst treu zu bleiben. Aber er war nicht da, und Ida Marie und Anne bewegten sich an der Peripherie ihres Lebens.
     
    Wieder in der Redaktion in der Frederiksgade angekommen, las sie als Erstes die Mail von Marie Gejl Andersen, in der sie ihr Namen und Telefonnummern des Arztes und des Leichenbestatters mitteilte, die ihren Vater behandelt und bestattet hatten.
    Sie rief bei beiden an und hinterließ jeweils eine Nachricht, weil sie die Betreffenden nicht erreichen konnte. Währenddessen versuchte sie, die fast geschmolzenen Glasaugen aus der Urne

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