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Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
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hatte gleichzeitig keine Kraft, sich dagegen zu wehren, obwohl sie bei aller Vernunft wusste, dass es sie das Leben kosten würde. Aber was war das schon wert, dieses Leben? Vielleicht hatte es in |287| Wirklichkeit gar keinen Wert? Das einzelne Leben war doch im Vergleich zum großen Ganzen nicht wichtig.
    Mit den Geräuschen der vier Angestellten im Hintergrund versuchte sie sich an das Kfz-Schild des Vans zu erinnern, während sie gleichzeitig Telefonate entgegennahm und Profile in ihrer Datenbank öffnete, um die passenden Zeitarbeiterinnen für die Anfragen ihrer Kunden zu finden. Irgendwas mit XP und dann vier Zahlen, beginnend mit der 3 oder doch der 8? Eine verdreckte 8 konnte ohne weiteres wie eine 3 aussehen. Und was kam danach?
    Sie warf den Joghurtbecher in den Papierkorb und ärgerte sich maßlos über ihre eigene Dämlichkeit, dass sie sich noch nicht einmal die bescheuerte Nummer hatte merken können. Auch dafür schämte sie sich.
    Ihr Blick wanderte durch das Großraumbüro. Es gab hier niemanden, mit dem sie darüber hätte reden können. Ihre Mitarbeiterinnen waren allesamt in Ordnung, das war nicht der Punkt. Aber sie hätte sich keiner von ihnen anvertrauen wollen. Sie musste an ihre Freundinnen denken. Die waren ihr in dieser Angelegenheit auch keine Hilfe, das konnte man nicht von ihnen verlangen.
    Wieder stellte sie sich ans Fenster. Das Wetter war erneut umgeschlagen und präsentierte einen dänischen Sommer mit vielen Wolken und einer großen Regenwahrscheinlichkeit. Die Leute hatten ihre Regenschirme im Anschlag. Man sah eine bunte Vielfalt an Regenjacken in den Straßen. Wenn es Spuren der Entführung gegeben hatte – und dass es eine Entführung war, davon war sie überzeugt –, waren die mittlerweile weggewaschen worden. Vielleicht hätte sie es doch der Polizei melden oder gleich dem Beamten auf dem Motorrad erzählen sollen. Es hätte einiges erleichtert. Aber da gab es ja noch den Umschlag in ihrem Safe und seine Ermahnung, dass die Polizei auf keinen Fall ins Vertrauen gezogen werden durfte. Warum in aller Welt sollte sie diesem Befehl Folge leisten? Warum ließ sie sich von ihrer erotischen Besessenheit fernsteuern? Hatte sie vielleicht keinen eigenen Willen?
    |288| Es hatte sie Stunden gekostet, um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen. Die Antwort lautete leider Nein. In dieser Hinsicht war ihr Wille vollkommen außer Kraft gesetzt. Er hatte ihn ihr vom ersten Moment an geraubt. Sie würde so viel dagegen ankämpfen können, wie sie wollte. Es würde nichts ändern, sie hatte keine Wahl.
    Gegen fünf Uhr am Nachmittag hatten ihre Angestellten das Büro verlassen, und sie war allein zurückgeblieben. Die Schreibtische sahen aus wie verlassene Schiffe in der Weite des Ozeans, und die Stimmen ihrer Kollegen und das Klappern der Tastaturen waren ersetzt worden von dem entfernten Summen der Menschen unten auf der Straße.
    Sie fragte sich, wo sie ihn wohl hingebracht hatten und was sie mit ihm vorhatten. Und vor allem warum. Es hatte etwas mit dieser Stadion-Sache zu tun, da war sie sich sicher, und sie zweifelte auch nicht mehr daran, dass er sich irgendwas hatte zuschulden kommen lassen.
    »So, jetzt reicht es.«
    Sie murmelte die Worte vor sich hin, während sie die Eingangstür abschloss und dann ihre ganze Aufmerksamkeit dem Safe an der Wand widmete. Er war hinter einem gerahmten Kunstdruck von Rosina Wachtmeister verborgen, den sie in der Postergalerie unten im Erdgeschoss des Gebäudes gekauft hatte. Sie hob das Bild von der Wand und stellte es auf den Boden. Sie verfluchte ihn, dass er diesen Umschlag in ihr Leben gebracht und sie damit in einen Strudel gerissen hatte, aus dem es kein Entrinnen gab. Sie tippte den Code ein und öffnete die Tür. Der Umschlag lag unberührt im Inneren des Safes. Sie war die Einzige, die Zugang zu ihm hatte. Die anderen mussten fragen und kannten den Code auch nicht.
    Sie nahm den Umschlag heraus und wog ihn in der Hand, so wie sie es bei ihm zu Hause getan hatte.
    Dann öffnete sie den Verschluss und sah mit angehaltenem Atem hinein.
    Drei Dinge lagen darin. Das erste war ein englischsprachiges |289| Buch mit dem Titel
Combat Training Manual
. Das zweite war ein Magazin mit Munition, und das dritte war eine Waffe, eine Pistole der Marke Glock 17 DK.
    Vorsichtig nahm sie die Waffe in beide Hände. Sie war leichter als erwartet, aber es fühlte sich falsch an, und sie steckte sie schnell wieder zurück in den Umschlag. Zum Teufel mit ihm. Was

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