Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
gar nicht wissen.«
»Von wo und wohin?«, fragte Hansen.
»Ganz unterschiedlich.«
»Ein Beispiel«, bat Wagner.
Møller griff mit der einen Hand den Kaffeebecher, der bis dahin unberührt vor ihm auf dem Tisch gestanden hatte.
»Zum Beispiel Kisten, die über die Grenze gebracht werden |350| sollten und dann in Padborg oder Flensburg in ein anderes Auto umgeladen wurden.«
»Und wo haben Sie die vorher abgeholt?«, hakte Hansen nach.
»Von ganz unterschiedlichen Orten. In der Regel draußen auf dem Land. Von einer Tankstelle oder einem Rastplatz.«
»Wer hat Ihnen die Ware geliefert? Saß derjenige im Wagen? Wie sah der Wagen aus?«, fragte Wagner.
Møller schüttelte den Kopf.
»Ich habe den Typen nie richtig gesehen. Der saß im Auto hinter getönten Scheiben. Wir haben nur die Fracht aus seinem Wagen in meinen Toyota Stationcar umgeladen. Arne wusste immer, wohin die Waren sollen.«
»Dann kannte Arne Bay also den Mann hinterm Steuer?«
Møller nickte.
»Da bin ich mir ziemlich sicher.«
»Woher?«, setzte Wagner nach, aber der andere war verstummt.
Wagner dachte an Dicte Svendsens Theorie über das Geschäft mit Menschen und Toten.
»Könnte es mit Bays Arbeit im Krankenhaus zu tun haben?« Møller starrte die beiden Polizisten entgeistert an.
»Das hätte mit meiner kranken Tante zu tun haben können, und ich hätte es nicht wissen wollen.«
Wagner erwog die Glaubwürdigkeit dieser Aussage, entschied sich aber dafür, ihm das abzunehmen. Dahinter verbarg sich eine altbewährte Verbrecherlogik: je weniger man wusste, desto weniger schuldig musste man sich fühlen und desto weniger konnte man auspacken, wenn man gefasst werden sollte.
»Wie sind Sie denn bezahlt worden? Bar?«
Jan Møller antwortete Hansen mit einem Nicken. »Ich habe meinen Anteil immer von Arne direkt bekommen.«
»Und wie sah die Ware aus? Pappkartons? Etwas anderes?« Jan Møller runzelte die Stirn und sah nachdenklich an die Decke.
»Keine Pappkartons. Eher so Behälter, in denen man Frischfleisch verschicken kann.«
|351| »Thermoboxen«, sagte Wagner. Møller kannte diese Sorte von Transportboxen wahrscheinlich zuhauf aus der Fabrik seines Vaters.
Møller nickte.
»So etwas in der Art.«
Es klopfte an der Tür, Eriksen steckte den Kopf durch den Spalt und nickte Wagner zu, der sich erhob und den Verhörraum verließ. Hansen hielt das Aufnahmegerät an, nachdem er den Zeitpunkt der Unterbrechung auf Band gesprochen hatte.
»Zwei Sachen«, sagte Eriksen, als er mit Wagner vor der Tür stand. »Zwei Zeugen haben unabhängig voneinander ausgesagt, dass ein schwarzer Kastenwagen mit getönten Scheiben in den Park von Åbyhøj gefahren ist, in der Nacht, bevor wir Bay gefunden haben. Aber keiner von ihnen hat sich die Nummer notiert.«
»Und?«, fragte Wagner ungeduldig, weil er das Verhör mit Møller wieder aufnehmen wollte.
»Das Zweite ist, dass wir vorne einen Mann in einem Rollstuhl sitzen haben, der nur mit dir reden will. Er sagt, es sei dringend und habe mit der Stadion-Sache zu tun.«
»Wo ist er denn?«
Eriksen wies mit einem Kopfnicken den Gang hinunter.
»Hinten bei den Aufzügen, bei der Sofagruppe.«
Wagner bat Eriksen darum, seinen Platz beim Verhör zu übernehmen, und machte sich auf den Weg. Er lief an den vielen Hehlerwaren in Form von Designermöbeln vorbei, für die es keine Lagermöglichkeit gab, solange die Verhandlung schwebend war. In dieser halben Minute machte er sich über die Thermoboxen Gedanken, falls Jan Møller tatsächlich die Wahrheit sagte. Vielleicht hatte Dicte Svendsen ja doch recht, und es hatte etwas mit dem menschlichen Körper zu tun. In jedem Fall handelte es sich ganz offensichtlich um leichtverderbliche Schmuggelware.
Der Mann im Rollstuhl war früher einmal ein sehr gutaussehender Typ gewesen, daran gab es keinen Zweifel. Er erinnerte Wagner |352| an einen Hollywoodschauspieler, auf dessen Namen er nicht sofort kam, aber der mit seinem Kinngrübchen und dem markanten Gesichtsschnitt so manches Frauenherz verzaubert hatte. Sein Haar war blond, die Augen durchdringend blau, aber sein Körper von der Brust abwärts unbrauchbar. Die Beine lagen leblos auf den Fußstützen des Rollstuhls.
»Mein Name ist Gregers Laursen«, sagte der Mann mit fester Stimme. »Ich bin mit Kirstine Laursen verheiratet und möchte meine Frau als vermisst melden. Sie ist seit zwei Tagen nicht zu Hause gewesen.«
Wagner wollte gerade ansetzen und ihn an den zuständigen Kollegen
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