Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Mund.
»Okay, Boss, nach dir.«
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Kapitel 63
Kim Deleuran.
Der Name kreiste schon die ganze Nacht in ihrem Kopf herum. Er war der Schlüssel zu allem, das wusste sie. Er war der große, dünne Mann.
Er war früher nicht in Erscheinung getreten, zumindest sein Name nicht. Den Bestatter konnte sie jetzt ausschließen, obwohl sie sicher war, dass Marius Jørgensen & Söhne in den Fall verwickelt war und Mette sich in seinem Hinterzimmer befunden hatte. Doch nicht sie erledigten die Arbeit. Führten nicht das Messer. Das tat er, Kim Deleuran, auch Sharon genannt. Wer konnte das nur sein?
|403| Dicte schlug die Bettdecke zur Seite und stand auf. Bo schlief noch. Sie ließ ihn weiterschlafen, setzte sich an den Computer und ging ihr gesamtes Material durch, ihre Artikel und Notizen, um zu sehen, ob sie etwas Neues entdeckte. Sie drehte die Zeit zurück bis zu jenem Tag im Frühsommer, an dem man die Leiche von Mette Mortensen gefunden hatte. Dem Tag von Dorothea Svenssons Beerdigung. Vor ihrem inneren Auge liefen die Bilder jener Tage ab. Bilder von ihrem ersten Treffen mit Peter Boutrup, vom hektischen Kaffeetrinken mit Anne; vom Mittagessen mit Torsten und dem Besuch in Wagners Büro, bei dem sie begriffen hatten, dass an anderen Orten der Welt ähnliche Verbrechen verübt worden waren. Sie rief sich ihre Begegnung mit Frederik Winkler in Erinnerung; das Schnurren der Katze und das Plakat mit der Aufschrift: »Dänische Schweine sind gesund – die strotzen vor Penicillin«. Sie konnte das Foto von dem Mann vor sich sehen, der mit seinem Sohn Fußball spielte; sie dachte an das Treffen mit Marie Gejl Andersen und ihrem Mann und deren Zorn angesichts dessen, was sie in der Asche des verstorbenen Vaters gefunden hatten; an die schwarzen Doc Martens Stiefel und den Anblick von Kiki Laursen vor Bays Tür in der Jægersgårdsgade. An die beiden zusammen: das dunkelhäutige Mädchen und den Nazi, ein unseliges Bündnis gegen den Rest der Welt. Und an Bays Kraft und seinen Hass, als er sie gegen die Mauer presste, um sie zu warnen. Sie erinnerte sich an …
»Guten Morgen!«
Sie schreckte von ihrem Stuhl hoch und drehte sich um. Bo stand nackt in der Tür. Sie musste daran denken, was Boutrup gesagt hatte, und grinste.
»Was?«
»Nichts.«
Sie unterdrückte ein Kichern.
»Nun sag schon, sonst wird es schlimm enden mit dir.«
Er war hinter sie getreten und wirbelte sie auf dem Bürostuhl im Kreis herum, eine Runde nach der anderen.
|404| »Was ist denn bitte schön gerade so lustig? Bin ich etwa verwachsen? Zu klein? Zu groß?«
Jetzt kitzelte er sie durch. Sie flehte um Gnade und genoss diesen Moment, die wenigen, befreienden Sekunden, in denen der Tod in den Hintergrund trat. Vielleicht, dachte sie kurz, könnten sie eines Tages wieder mehr als nur einen kurzen Augenblick gemeinsam die schönen Seiten des Lebens genießen.
»Peter Boutrup hat gesagt, jemand wie du wäre ein besonderer Leckerbissen für die Gefängnisinsassen.«
»Nein, danke. Es würde mir eigentlich schon reichen, nur dein Leckerbissen zu sein.«
»Was heißt hier bitte ›nur‹?«
Er hörte damit auf, sie im Kreis zu drehen, und blickte auf den Bildschirm. Sie hatte gerade das Interview mit Winkler geöffnet.
»Es gibt da etwas, worüber ich nachgedacht habe«, sagte er. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie ihr Bay im Park gefunden habt?«
Sie nickte, natürlich konnte sie das.
»Damals sagte er etwas, was ich nicht verstanden habe.«
Sie spulte die Ereignisse im Kopf zurück. Was hatte Winkler gesagt? Hauptsächlich hatte er darüber geredet, dass er kein guter Vater gewesen sei. Sie hatte versucht, ihn zu trösten, so gut sie konnte.
»Und? Was genau hat er denn gesagt?«
Bo setzte sich vor sie auf den Schreibtisch. Sie hatte freie Aussicht auf einen nackten Männerkörper, doch auch ihre Gedanken waren jetzt wieder im Park, und ihre Neckerei war vergessen.
»Er sagte, er habe ›sie gegeneinander ausgespielt‹. Aber nichts darüber, wen er mit ›sie‹ meinte. Ich gehe davon aus, dass einer davon Arne Bay gewesen sein muss.«
»Aber wer war der andere?«, führte sie seinen Gedanken weiter und erinnerte sich ebenfalls an Winklers Worte. »Was willst du andeuten? Dass Winkler weiß, wer Kim Deleuran ist?«
|405| Bo zuckte mit den Schultern und stand auf.
»Vielleicht solltest du ihn das fragen«, sagte er und ging zurück ins Schlafzimmer.
Dicte starrte eine Zeitlang auf den Bildschirm. Noch einmal ging sie
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