Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
Vom Netzwerk:
total langweilig, aber sie fand, dass sie fucking Sherlock Holmes war. Mit Zahlen lesen und so, als wären die praktisch das Wichtigste in einem Krimi.« Er breitete die Arme aus.
    »Ich hab sie labern lassen.«
    »Ich dachte, Sie hätten sich nicht unterhalten«, sagte Hansen.
    Bay starrte ihn an.
    »Das habe ich doch gesagt. Sie hat rumgequatscht und gelabert wie Sprühscheiße. Ich habe nur bei der Hälfte hingehört. Manchmal muss man halt so tun, als ob, um eine Muschi abzubekommen. Das muss ja nicht immer gleich auf Einstein-Niveau sein.«
    Plötzlich sah er betreten aus. Vielleicht weil er bemerkt hatte, dass er den Namen einer jüdischen Berühmtheit im Mund geführt hatte, dachte Wagner, beschloss aber, es nicht zu kommentieren. Und Hansen hatte womöglich noch nie von Einstein gehört. Zumindest fuhr er mit seiner Frageserie fort.
    »Okay. Warum sind Sie zusammen von dort weggegangen?«
    »Was glaubst du denn? Ich wollte sie zu mir nach Hause locken, aber sie wollte unbedingt noch runter an den Fluss und dort weitermachen. Wir sind dann wieder im Bridgewater gelandet. Aber danach erinnere ich mich an nichts mehr.«
    »Weil Sie zu viel getrunken haben?«
    Bay schüttelte den Kopf, als würde er das alles selbst nicht so richtig verstehen.
    »Ich habe nicht mehr getrunken als sonst.«
    »Erinnern Sie sich, ob Sie jemandem begegnet sind? Haben Sie mit jemandem gesprochen?«
    |148| Wieder schüttelte Bay den Kopf und schien aufrichtig irritiert.
    »Ich glaube, wir standen mit mehreren zusammen. Ein paar von meinen Freunden, aber sie hat bestimmt auch jemanden getroffen, den sie kannte. Das ist alles vernebelt.«
    »Versuchen Sie dennoch, sie zu beschreiben«, bat ihn Hansen.
    Viele Sekunden lang herrschte absolute Stille in dem Raum.
    Bay schabte mit dem Stuhl hin und her. Für einen Moment schloss er die Augen, als würde er versuchen, die Kneipe vor sich zu sehen und so der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Als er sie wieder öffnete, hatte er noch immer kein Wort gesagt. Wagner war der Meinung, etwas Ungewöhnliches in seinem Blick entdeckt zu haben, Angst.
    »Ich habe keine Ahnung. Ich kann mich verdammt noch mal an nichts mehr erinnern, erst wieder, dass ich am Sonntagmorgen in meinem Bett aufgewacht bin.«

[ Menü ]
    Kapitel 22
    Ab und zu hatte sie das große Bedürfnis, das Leben ganz hautnah zu spüren. Die ersten Geräusche eines Neugeborenen zu hören, die ersten Schreie vor Unmut und Hunger. Den Duft der Reinheit und Unschuld einatmen und das Wissen darüber, dass alles irgendwo einen Anfang nimmt, wo alle gleich sind und eine Chance haben und der Tod weit entfernt ist, in einer unbestimmten Zukunft.
    Dicte lief den Gang der größten Entbindungsstation des Landes im Skejby Krankenhaus entlang. Heute war Annes halber Tag, das wusste sie. Manchmal fing sie ihre Freundin hier ab, ganz in der Nähe ihres Zuhauses in Kasted, wenn sie Sehnsucht nach einem Gespräch hatte. Anne war Hebamme und verdiente ihr Geld damit, Leben zur Welt zu bringen, hinaus in die Wirklichkeit. |149| Dorthin, wo Dicte sich mit dem anderen Ende der Skala beschäftigte und über die Ereignisse schrieb, wenn ein Leben, das unschuldig begonnen hatte, ein gewaltsames und ungebührliches Ende fand. So ergänzten sich die beiden Freundinnen, die sich während eines gemeinsamen Jahres in einer HF-Klasse, nach dem Gymnasium, kennengelernt hatten. Zwei elternlose Mädchen, die Trost beieinander gesucht hatten. Anne, die von einer ostjütländischen Familie adoptiert worden war, ewig ungeliebt von ihrem neuen Vater, dem Pfarrer. Und sie, der Flüchtling, weggelaufen vor den Zeugen Jehovas und seinen Wesen, inklusive ihrer eigenen Familie.
    Sie hatten immer das Gefühl gehabt, dass sie füreinander Familie waren. Nur leider wurden diese Familienbande manchmal überstrapaziert und dünnhäutig. Anne hatte ein Jahr lang mit Mann und Sohn auf Grönland verbracht und war erst seit einigen Monaten nach Dänemark zurückgekehrt. Die Freundschaft hatte Bestand, das würde sie immer haben. Aber sie hatten sie nicht besonders gepflegt, wollten das aber beide nicht wahrhaben.
    Daran musste sie denken, als sie Annes Stimme hinter der nächsten Ecke hörte. Sie spürte eine Sehnsucht nach dieser alten Freundschaft, die nicht gestillt werden konnte. Denn Anne hatte sich zurückgezogen, obwohl sie niemals den Moment hätte benennen können, wann und wie es dazu gekommen war. Und zwischendurch vermutete sie sogar, dass ihr die Phantasie einen

Weitere Kostenlose Bücher