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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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nicht an das, was du selbst im Abendkurs herausgefunden hast? Zweifelst du nach all der Zeit an meiner Unschuld?«
    »Ich glaube an das, was wir in Iowa getan haben«, sagte sie zögernd. »Ich glaube …« an Sie , hatte sie sagen wollen.
    »Die Person, die diese Verbrechen begangen hat, ist tot«, fuhr Aldiss fort. »Du erinnerst dich an das, was passiert ist. Du warst dort. Was du mit deinem Freund entdeckt hast, als ihr in Iowa wart, war wahr. Es war alles wahr. Es war das Einzige, was ihr voll und ganz richtig gemacht habt, seit ihr unter meiner Führung wart. Ihr habt mir geholfen, mein Leben zurückzubekommen, und das werde ich nie vergessen.«
    Sie drehte sich um und sah ihn an. »Warum haben Sie nie darüber gesprochen?«
    Aldiss schwieg.
    »Sie haben vorher nie über irgendetwas gesprochen«, fuhr sie fort, während sie all ihren Mut zusammennahm. »Über Ihr früheres Leben, das vor Dumant. Bevor Fallows und Locke …«
    »Hör damit auf!« , schrie Aldiss, und Alex zuckte zurück. Das Lächeln hielt, aber seine Augen brannten vor Zorn. Ein paar Tropfen Wein waren aus dem Glas geschwappt und hatten seine Hand benetzt. »Ich habe nicht vor, mit dir über irgendetwas davon zu sprechen. Du bist immer noch meine Studentin, Alexandra. Schreib es dir hinter die Ohren, dass du in jeder erdenklichen Weise unter mir stehst.«
    Der Gedanke traf sie wie ein Blitz: Wenigstens nutze ich meine Studenten nicht aus.
    Aldiss’ Augen erhellten sich. Er hatte erraten, in welche Richtung ihre Gedanken gingen. »Ja«, zischte er. »Sag es. Bitte .«
    Sie tat es nicht. Sie weigerte sich, ihm Genugtuung zu verschaffen.
    Der Mann ging raus ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Er hatte für die lauschige Atmosphäre ein gelbes Tuch über eine Lampe auf dem Beistelltisch gelegt, und nun saß er in ihrem kränklichen Licht und starrte auf das Gewirr von Schatten auf der anderen Seite des Zimmers.
    »Bei Fallows«, sagte er leise, »gibt es einen Moment, an dem die Erzählung einen Wendepunkt erreicht. Die Wissenschaftler nennen es Peripetie, dieser Augenblick, an dem der Roman etwas anderes wird. Du erinnerst dich, Die Windung wandelt sich von einem Gesellschaftsroman zu einer Charakterstudie von Ann Marie. Allmählich erkennen wir, dass sie nicht so stark ist, wie sie zunächst schien, dass sie ein verängstigtes Mädchen aus Iowa ist, das in der großen bösen Stadt verloren ist. In Die goldene Stille gibt es viele Peripetien, manchmal mehrere Umschwünge auf einer Seite. Erinnere dich daran, dass das Buch voller Falltüren steckt.«
    Alex starrte den Mann an. Das Gefühl, wieder in diesem Kellerhörsaal zu sitzen, wieder eine Studentin zu sein und verzweifelt darauf zu warten, dass Aldiss die Lücken füllt, war greifbar. »Professor«, sagte sie. »Warum erzählen Sie mir das?«
    Aldiss sah sie an. »Es ist Zeit für eine Wende, Alexandra.«
    »Was meinen Sie?«
    »Hier geht es nicht um den armen Michael Tanner und sein zerbrochenes Geschirr. Hier geht es um etwas völlig anderes. Es geht um etwas, das älter ist als der Abendkurs oder der Dumant-Mörder oder irgendetwas davon. Ich dachte zuerst, dass der Mann, der das tut – ich dachte, er sei schwach. Jemand anderem das Verbrechen zu stehlen ist keine Schmeichelei, es ist überhaupt nicht literarisch, egal wie sehr unser unsichtbarer Mann das möchte. Es ist Zerstörung.« Aldiss trank noch einen Schluck Wein, der letzte Rest der Flüssigkeit wirbelte in seinen windschiefen Mund. »Dieser Mann führt nichts fort. Er versucht, es zu beenden.«
    Alex sah ihn an. Sie fühlte sich plötzlich schwach. Schwindelig. »Entschuldigen Sie mich, Professor«, sagte sie. »Entschuldigung.«
    Sie ging in den Flur und fand das Badezimmer, das sie beim Hereinkommen gesehen hatte. Sie trat ein und schloss die Tür, schaltete das Licht an und betrachtete sich im Spiegel. Es war schlieriges Glas, grau vor Alter. Alex lehnte sich an das Waschbecken und atmete tief ein, spritzte kaltes Wasser in ihr Gesicht. Es zu beenden , dachte sie. Beenden .
    Ihr Handy vibrierte in ihrer Tasche. Sie nahm es heraus und sah auf das Display. Sie hatte zwei SMS erhalten. Eine war von Peter; sie öffnete sie nicht. Die andere war von Dekan Rice:
    Berichten Sie uns, wenn Sie mit ihm fertig sind.
    »Arschloch«, flüsterte sie vor sich hin und drehte den Wasserhahn zu. Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, saß Aldiss immer noch auf dem Sofa. Sein Gesicht war vom Alkohol gerötet, und seine Hände lagen

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