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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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sie gesprochen hatten, während sie weg war.
    Er sah sie an, die Arme gegen den Wind verschränkt.
    »Wenn ich dir etwas erzähle«, sagte er, »versprichst du dann, es den anderen nicht weiterzusagen?«
    Alex schaute ihn an. »Natürlich, Christian.«
    »Ich habe von Fallows abgeschrieben.«
    »Was?«
    Er trat von einem Bein aufs andere, atmete schneller. Alex sah, dass er schon lange darauf gewartet hatte, es jemandem zu erzählen, aber nie den Mut aufgebracht hatte. Nun, zurück an seinem alten College, einer seiner Freunde ermordet, hatte er sich zu einem Geständnis durchgerungen. Vielleicht steckt mehr dahinter , dachte Alex.
    »Nicht Wort für Wort, nicht so«, sagte er. »Ich habe einfach seinen Stil, seinen Rhythmus imitiert. In meinem letzten Roman, Barker im Sturm . Ich steckte fest. Vielleicht hatte ich diese verrückte Vorstellung, dass Leute die Prozedur nach meinen Romanen spielen würden, ich weiß es nicht. Ich bin jedes Wochenende mit Michael nach Burlington und Dumant gefahren, wir waren tief verstrickt in die Prozedur. Ich wurde davon mitgerissen, ich habe mich völlig darin verloren, Alex. Mein Verleger fing an, mich anzurufen, um zu fragen, wann das nächste Buch fertig sei. Ich habe ihm immer wieder gesagt: ›Bald. Bald. Bald.‹ Aus Monaten wurde ein Jahr, und ich habe fast alles verloren …« Christian verstummte, sah zur Seite in die Schatten, als habe er etwas gehört. Alex folgte seinem Blick, sah aber nichts als Dunkelheit und das flackernd unter ihnen liegende College. »Eines Tages ging ich in meine Bibliothek und nahm Die goldene Stille heraus und las es. Und ich dachte: ›Das. Das ist es.‹ Also las ich ein paar Passagen und versuchte, sie nachzuahmen. Es war, als würde ich Fallows bestehlen. Und es fühlte sich … mein Gott, Alex, es fühlte sich so gut an. Ich fühlte mich wieder inspiriert, wie als ich mit dem Schreiben angefangen hatte. Es war fantastisch.«
    »Jemand wird es herausfinden«, sagte Alex. »Die Forscher, denen fallen solche Dinge auf.«
    Er lächelte finster. »Ich hoffe es. Ich hoffe, sie erwischen mich.« Wieder schaute er zu den Bäumen, zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und schnipste sie ins Gebüsch. »Und ich hoffe, ich werde dafür bestraft.«
    Im Haus hatten sich die Leute verteilt. Sie fand Frank Marsden und Lucy Wiggins am Feuer, eng aneinandergekuschelt und miteinander flüsternd. Sie ging in die Küche und holte sich am Wasserhahn etwas zu trinken. Stand da und trank, lauschte dem stillen alten Haus und dachte an Aldiss. An sein Beharren darauf, dass einer ihrer Freunde schuldig sei. Einer, der hier war.
    Dann drang Gelächter an ihr Ohr. Es kam von irgendwoher aus der Dunkelheit.
    »Hallo?«, sagte Alex. Sie wartete.
    Zuerst tat sich nichts. Dann kam wieder das Lachen, trällernd und feminin. Alex trat tiefer ins Zimmer.
    Eine Männerstimme. Sie kam ihr vertraut vor, aber sie erkannte sie nicht. Sie machte noch einen Schritt.
    Hinter dem Kühlschrank war eine weitere Tür. Die Waschküche vielleicht – sie hatte sich diesen Teil des Hauses des Dekans nie angesehen. Sie machte noch einen Schritt, dann noch einen. Schließlich streckte sie die Hand aus und drückte die Schwingtür auf und sah …
    Melissa Lee kniete vor dem Pfleger Matthew Owen.
    Alex war es peinlich, aber sie drehte sich nicht um. Sie stand einen Augenblick da, verborgen in der Dunkelheit, die Tür einen Spalt offen. Sie sah Melissas Gesicht im Schoß des Mannes. Sah Owens nach oben gewandtes Gesicht, hörte sein tiefes Luststöhnen. Als sie wieder hinunterschaute, sah sie Melissa, die sie beobachtete, in ihren Augen ein Anflug von verruchtem Amüsement.
    Also doch keine richtige Fußballmutter , dachte Alex. Leise kehrte sie zurück in die Küche. Dann ging sie in den Salon, in die Hitze des Feuers und lief gegen Frank Marsden. Er war betrunken, hielt sich aber aufrecht, während sie fast auf dem Boden gelegen hätte.
    »Alexandra«, lallte er. Der Widerschein des Feuers brannte in seinen Augen.
    »Hallo, Frank.«
    Der Mann lächelte und sagte: »Schließ deine Tür ab.«
    »Wie bitte?«
    »Das sagt man auf dem Campus.« Frank kam näher zu ihr, die Alkoholfahne kräftig und dicht. Eine wahnsinnige Rachevision brannte in seinen Augen. »Schließ deine Tür gut ab. Wer auch immer Michael das angetan hat – der Typ ist immer noch da draußen.«
    »Bist du das, Alex?«
    Sie war jetzt oben, ihr Herz pochte nach dem, was sie in der Küche gesehen hatte. Als sie die Stimme

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