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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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hänselten mich deswegen. Ich war der, den alle loswerden wollten, der Schläfer. Ich hielt sie innen drin, presste die Schwärze wie einen Atemzug in mich. Meine Fluchten waren Räume, in denen ich herumspazierte. Aber das …« Er sah zur Seite, zu den nicht sichtbaren Wänden, die ihn gefangen hielten. »Das war zu entsetzlich.« Stille herrschte im Raum; sie erinnerten sich an ihn an diesem Abend, an sein verzerrtes Gesicht und an dieses eine Auge, das auf sie gerichtet blieb, ganz nah vor der Linse, während der letzten Sekunden, bevor die Übertragung wieder abbrach. Letztendlich lächelte Aldiss, winkte träge mit einer Hand vor der Linse. »Genug davon. Lassen Sie uns über das reden, weswegen wir hier sind: Paul Fallows. Erzählen Sie mir, was Sie gefunden haben.«
    Niemand sprach. Der Bildschirm flackerte, vielleicht vom Wind oder irgendeiner winzigen Bewegung im kleinen Betonziegelraum des Professors. Eine statische Linie glitt wie ein Vorhang über den Schirm, und der Professor erschien wieder, seine Hände vor sich gefaltet und seine aufmerksamen schwarzen Augen auf sie gerichtet. Er hatte sich nicht rasiert, und graue Bartstoppeln bedeckten seine Wangen.
    »Nichts?«, sagte Aldiss. »Sie haben diese Tage doch sicher genutzt?«
    »Wie soll man einen Mann jagen, der nicht existiert?«, fragte Lewis Prine. Er saß in der letzten Reihe, seinen Kopf an die Betonwand gelehnt.
    »Ich versichere Ihnen, dass Paul Fallows existiert, Mr Prine. Er hat immer existiert.«
    »Aber woher wissen wir das?«
    »Weil ich Ihnen gesagt habe, dass es wahr ist. Genügt das nicht?«
    »Nein«, sagte Melissa Lee, bevor Prine antworten konnte.
    »Und warum nicht?«, fragte Aldiss, während er spöttisch lächelte. Er legte sein Kinn auf seine rechte Hand, und sie sahen, dass er dort etwas aufgeschrieben hatte. Ein flüchtiges Wort, das sich eng um seinen Daumen wand. Aldiss tat das ab und an, schrieb seine Kursnotizen auf seinen Körper, aber wie alles andere an ihm waren die Worte nicht fassbar. Ein Datum, ein Motiv, eine Seitenzahl, alles war immer knapp außerhalb der Reichweite der Kamera.
    »Weil Sie …«
    »Weil ich hier bin?«, fragte er und streckte die Arme aus. Die Wachen, von denen nur Rumpf und Beine zu sehen waren, rührten sich, so wie sie es jedes Mal taten, wenn Aldiss sich bewegte. »Meinen Sie das, Ms Lee? Die Tatsache, dass ich an diesem Ort eingesperrt bin, macht mich weniger vertrauenswürdig? Weniger fähig, recht zu haben?«
    Sie sah auf, schaute ihm aufgebracht in die Augen. »Ja.«
    »Dann geht es auch noch darum, über wie viele Informationen wir im Moment verfügen«, warf Daniel Hayden ein und forderte Aldiss wie so oft heraus. »Es sind nicht gerade viele.«
    »Was soll ich Ihnen denn noch geben?«, fragte Aldiss.
    Zunächst sagte der Junge nichts. Er sah den Bildschirm konzentriert an, als würde ihm das Gerät selbst mitteilen, wie er weitermachen sollte. Dann sagte er in wohlüberlegtem und ruhigem Tonfall: »Ihre Reise nach Iowa. Erzählen Sie uns davon.«
    Aldiss zuckte nicht mit der Wimper, aber etwas veränderte sich in seinem Gesicht. Etwas auf seiner rechten Wange öffnete sich, ein Riss dunkler Haut wie ein Faden, der straff gezogen wurde. »Und inwieweit ist das für Fallows relevant?«
    »In jeder Hinsicht«, sagte Hayden. »Ist der Anfang nicht genauso wichtig wie das Ende?«
    »Der Anfang«, wiederholte Aldiss und trommelte mit den Fingern auf dem Stahltisch. »Ich war ein Student wie Sie alle, als ich auf der Suche nach Fallows nach Iowa gefahren bin. Aber was ich in Rock Mountain entdeckt habe, ist so viel wichtiger als das. Damals war ich ein Kind. Ich wusste nicht, wo Paul Fallows war, ich wusste nicht, wer er war. Alles, was ich wusste, hat mir mein Mentor, Dr. Benjamin Locke, erzählt. Inzwischen bin ich um einiges klüger.«
    »Locke«, sagte Tanner. »Wer war er?«
    Aldiss’ Blick ging zur Seite. »Jemand, der mehr über Fallows wusste als jeder sonst. Aber wie so viele andere Wissenschaftler war Locke von dem Schriftsteller vollkommen besessen. Die Suche wurde für ihn zur Manie und zerstörte ihn schließlich.«
    Alex dachte an das, was Dekan Fisk ihr erzählt hatte, über die Wissenschaftler, die die Suche nach Fallows ruiniert hatte. Sie dachte an Aldiss in seiner einsamen Zelle, an die zwei Studentinnen der Dumant University, die ermordet worden waren. Alles nur deswegen, wegen dieser bedeutungslosen Worte. Unwillkürlich streckte sie die Hand aus und berührte das faltige

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