Der menschliche Makel
ihn. Ich hab drei Jobs, denn mein Wagen macht's noch eine Woche, und ich brauche einen billigen Wagen, der läuft - darum hab ich drei Jobs, und zwar nicht zum ersten Mal, und da wir gerade davon sprechen: Die Milchfarm ist eine Menge Knochenarbeit. Für dich hört sich das toll an, für dich sieht das toll aus - Faunia und die Kühe -, aber zusätzlich zu allem anderen bricht es einem schier das Kreuz ... Doch in diesem Augenblick bin ich nackt im selben Zimmer wie dieser Mann, und ich sehe ihn dort liegen mit seinem Schwanz und seiner Navy-Tätowierung, und alles ist ruhig, auch er ist ruhig - selbst jetzt, wo es ihn anmacht, mich tanzen zu sehen, ist er ruhig, ganz ruhig, und dabei hat er gerade ebenfalls eine Menge einstecken müssen. Er hat seine Frau verloren, er hat seinen Job verloren, er ist öffentlich gedemütigt worden, als rassistischer Professor. Und was ist ein rassistischer Professor? Das wird man ja nicht einfach so. Als das wird man entlarvt, und das heißt, dass man es schon immer gewesen ist. Es ist nicht so, dass man einmal was falsch gemacht hat. Wenn man ein Rassist ist, heißt das, dass man immer ein Rassist gewesen ist. Plötzlich ist man sein Leben lang ein Rassist gewesen. Das ist das Etikett, das einem angehängt wird, und es stimmt nicht mal, und trotzdem ist er jetzt ganz ruhig. Das ist es, was ich für ihn tun kann. Ich kann machen, dass er so ruhig ist, wie er jetzt ist, und er kann machen, dass ich so ruhig bin, wie ich jetzt bin. Ich brauche nur weiter zu tanzen. Er sagt: Tanz für mich, und ich denke: Warum nicht? Warum nicht - außer dass er denken wird, dass ich mitmache und genau wie er so tue, als wäre das hier etwas anderes. Er wird so tun, als würde die Welt uns zu Füßen liegen, und ich werde ihn lassen, und dann werde auch ich so tun. Trotzdem: Warum nicht? Ich kann tanzen ... aber er darf es nicht vergessen. Das hier ist nur das, was es ist, selbst wenn ich nichts weiter trage als den Opalring, selbst wenn ich nichts weiter am Körper habe als den Ring, den er mir geschenkt hat. Hier stehe ich vor meinem Liebhaber, nackt, und das Licht ist an, und ich tanze. Gut, du bist ein Mann, und du bist nicht in der Blüte deiner Jahre, und du hast dein eigenes Leben, in dem ich keinen Platz habe, aber ich weiß, was hier passiert. Du kommst als Mann zu mir. Und darum komme ich zu dir. Das ist eine Menge. Aber das ist auch alles. Ich tanze nackt vor dir, das Licht ist an, und du bist ebenfalls nackt, und das ganze andere Zeug ist unwichtig. Das ist das Einfachste, was wir je getan haben - das ist es. Versau es nicht, indem du denkst, dass es mehr ist. Du denkst es nicht, und ich werde es auch nicht denken. Es muss auch gar nicht mehr sein, als es ist. Weißt du was? Ich sehe dich, Coleman.
Und dann spricht sie es aus. »Weißt du was? Ich sehe dich.«
»Tatsächlich?«, sagt er. »Dann beginnt jetzt der Abstieg in die Hölle.«
»Fragst du dich - falls es dich überhaupt interessiert -, ob es einen Gott gibt? Fragst du dich, warum du auf der Welt bist? Worum es überhaupt geht? Es geht hierum. Es geht darum, dass du hier bist und ich das hier für dich tue. Es geht darum, dass du nicht denkst, du wärst irgendwo anders jemand anders. Du bist eine Frau und gehst mit deinem Mann ins Bett, und du fickst nicht mit ihm, um zu ficken, und auch nicht, um einen Orgasmus zu kriegen, sondern du fickst mit ihm, weil du mit deinem Mann im Bett liegst und weil es das richtige ist. Du bist ein Mann, und du fickst mit deiner Frau, aber du denkst dabei, dass du mit der Putzfrau aus dem Postamt ficken willst. Okay - weißt du was? Du bist tatsächlich mit der Putzfrau im Bett.«
Leise und mit einem Lachen sagt er: »Und das ist der Beweis für die Existenz Gottes.«
»Wenn das kein Beweis ist, gibt es keinen Beweis.«
»Tanz weiter«, sagt er.
»Wenn du tot bist«, sagt sie, »ist es dann von Bedeutung, ob du die richtige Frau geheiratet hast?«
»Nein. Es ist nicht mal von Bedeutung, wenn man am Leben ist. Tanz weiter.«
»Was dann, Coleman? Was ist dann von Bedeutung?«
»Das hier«, sagt er.
»Braver Junge«, sagt sie. »Du lernst.«
»Ist es das, was du tust? Du bringst mir was bei?«
»Es wird Zeit, dass jemand das tut. Ja, ich bringe dir was bei.
Aber sieh mich jetzt nicht so an, als würde ich noch für etwas anderes als das hier taugen. Für mehr als das hier. Bleib hier bei mir. Geh nicht weg. Bleib bei dieser Sache. Denk an nichts anderes. Bleib hier bei mir. Ich werde tun,
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