Der Messingmann
und stellte fest, dass Menschen sie als kalt empfinden würden.
»Bin gefesselt«, sagte der Golem, hustete dann dreimal und schloss das rechte Auge.
»Er hat gesprochen«, stellte der Vogeladaptierte fest.
Stalek musterte den Vogelmann, als studierte er eine besonders faszinierende Form der Dummheit, und wandte sich dann mit einem verwirrten Stirnrunzeln der Konsole und dem Bildschirm auf dem Tisch vor sich zu. Der an der Oberkante des Bildschirms feststeckende Gummihund schien der Einzige in diesem Raum, der sich überhaupt für den Golem interessierte. Verlegen konzentrierte sich der Vogelmann wieder auf den Cleanviro.
»Wiederhole: warum bin … gefesselt?«
Nach kurzer Verzögerung nahm Stalek die behandschuhten Hände von der Konsole und blickte den Golem an. »Du bist gefesselt, Mr. Stelzenläufer, weil du, falls frei von Fesseln, sofort versuchen würdest, zu deinen Meistern bei Cybercorp zurückzukehren. Und das möchten wir wirklich nicht.«
Der Golem gab dieses Gespräch wieder auf und spielte lieber ein altes Turinganalog ab, während die eigene verschrobene Vorstellung von sich selbst in der Verwirrung herumstromerte, die in seinem Schädel herrschte.
»Ich muss zurückkehren. Ich muss meine Dienstverpflichtung bei Cybercorp ableisten, ehe ich ein freier Golem werden und mich entscheiden kann, wo ich sein und was ich tun möchte.«
»Hör mal, Maschine, ich habe nicht vor, in eine sinnlose Debatte einzusteigen. Wir werden ein paar Änderungen an dir vornehmen, und dann kommen dich deine neuen Eigentümer abholen.« »Ich bin Eigentum von Cybercorp und werde für niemanden sonst arbeiten.«
Stalek grinste gehässig. »Doch, wirst du, sobald ich erst mal mit dir fertig bin. Du wirst für deine neuen Eigentümer sogar morden.«
»Ich bin nicht fähig, Menschenleben zu zerstören.«
Im Kopf des Golems hüpfte die Selbstvorstellung in einer Frequenz von Sub-KI zu Sub-KI, die einem Kichern nicht unähnlich war. Die Unwahrheit war genau die Art tröstlicher Balsam, wie er sie Menschen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zukommen lassen sollte. Die Wahrheit hingegen bestand in einer Erinnerung an Moralität, die keinerlei Macht über ihn hatte.
Stalek schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Während er um den Tisch kam, teilte sich das Golem selbst in die Sub-KIs auf, die seine Augen steuerten. Er bemerkte, dass der Mann dicke Lederschnürstiefel trug - ein sehr anachronistisches Schuhwerk.
»Nein«, sagte Stalek, »du kannst sehr wohl tun, was immer du möchtest, und doch ist dein Bewusstsein auf eine Art und Weise aufgebaut, dass du entscheidest, nicht zu morden, sondern dich an die Regeln der ECS zu halten. Tatsächlich hast du sogar beschlossen, ein guter kleiner Bürger zu sein. Diese Programmierung ist zwar nur schwer zu brechen, aber man kann sie brechen. Jemals von Serban Klein gehört?«
Der Golem durchsuchte seinen Empfangsspeicher sowie Fragmente seines Selbst und fand nichts. Er schüttelte den Kopf.
»Nicht überraschend«, fand Stalek. »Du kriegst wahrscheinlich die hübsch historischen Serienmörder wie Jack the Ripper eingespeichert, aber nicht die moderneren Vertreter. Tatsache ist, dass sie deinen Speicher komplett mit Informationen füllen könnten, aber sie haben es lieber, dass du manches auf eigene Faust herausfindest - denn es hilft, deine Persönlichkeit zu entwickeln. Naja, alles in allem hat Serban Klein hundertacht Frauen umgebracht. Er war clever, und so brauchte die ECS Jahre, um ihn aufzuspüren. Sie ertappten ihn bei seinem hundertneunten Opfer, das er da seit zwei Wochen in der Gewalt hatte. Man konnte ihr Gesicht und Körper zurückgeben, aber ihren Verstand nicht wiederherstellen. In einem ihrer kohärenteren Augenblicke entschied sie sich später für die Euthanasie.«
»Verstehe die Relevanz des Begriffs Serienmörder nicht«, sagte der Golem.
»Klein entschied sich für die Gehirnlöschung, und genau das wurde mit ihm gemacht, aber nicht, ehe ein sehr unartiges Individuum bei der ECS eine Memoaufzeichnung von Kleins Bewusstsein angefertigt hatte.«
»Für Forschungszwecke im Rahmen der forensischen Psychiatrie«, sagte der Golem.
»Nein, für den Schwarzmarkt an virtueller Unterhaltung. Erstaunlich, wie viel manche Leute dafür zahlen, eine kurze Zeit lang das Monster zu sein. Das Problem war nur: Man fand heraus, dass Serbans Aufzeichnung die Tendenz hatte, die Leute, die sie erlebten, in eine Psychose zu treiben, sodass sich das Programm nach einiger
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