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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Vergleich zu seinem morgendlichen Schindlgruben-Auftritt an seiner Vorgehensweise auch nicht wirklich viel verändert: Flink ist er, im Zickzack bewegt er sich, und auch der Widersacher ist derselbe. Nur die Bewegungsrichtung unterscheidet sich, und zwar gewaltig, denn eine Flucht sieht anders aus: »Jetzt hol ich dich!«, brüllt er durch die Nacht und stürmt auf seinen unsichtbaren Gegner zu. Keine zehn Meter ist er gelaufen, da kommt es zur erhofften Reaktion, zum Glück auch, was den Erfolg betrifft. Denn anstelle eines Kopfschusses staubt der Schnee ein paar Meter vor ihm auf.
    »Daneben. Anfänger!«, gratuliert Toni Schuster lautstark und mit pochendem Herzen. Dann schlägt er einen letzten Haken und steigert seine im Edelweiß demonstrierte Flugrolle auf ein fast übermenschliches Niveau. Als wollte er bei einem Comic-Superhelden Anleihe nehmen, erhebt er sich mit seinem gesunden, vorwärtsgestreckten Arm in die Lüfte und köpfelt hinein in den Wald. Weich ist die Landung, flink platziert er das ihm geliehene Smartphone mit dem Display nach oben im Schnee, robbt hinein ins Innere des Dickichts und freut sich: Teil eins der Mission ist somit erfüllt. Er hat ihn. Problemlos war es in der Finsternis zu lokalisieren, das Mündungsfeuer der auf ihn gerichteten Waffe.

54
    Nur unweit des Metzgers regt sich etwas im Geäst, Schnee fällt von den Zweigen, eindeutig bahnt sich wer den Weg durch den Wald. Fest umklammert der Restaurator den in der Jackentasche verstauten Deospray.
    »Psst!«, dringt es an sein Ohr. Zwei Äste werden zur Seite gebogen, und der Kellner Franz kommt zum Vorschein. Unüberhörbar. Was für entsprechende, zischend formulierte Verärgerung sorgt: »Verdammt, wollen Sie, dass er uns alle abknallt!« Franz Kellner ist völlig außer Atem, die Augen angsterfüllt, die Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn. Da deutet ihm der Metzger noch, in Deckung zu gehen, zersplittert neben dem Neuankömmling in Kopfhöhe ein Ast. »Dort rüber!«, flüstert der Restaurator, und zwei in Bauchlage durch den Schnee gleitende Herren verschwinden gut verborgen und dennoch mit Sicht auf den Weg in einer kleinen Senke zwischen zwei mächtigen Tannen. Es entgeht ihnen also nicht, das Leuchten am Waldesrand.
    Dieser Saukerl ist also gar nicht weit entfernt, geschätzte hundert Meter, weiß Toni Schuster nach Sichtung des Mündungsfeuers. Wo genau, das gilt es nun herauszufinden. Ein Stück noch hinein in den Wald, dann kann er sich aufrichten, sein eigenes Handy präparieren, in die Jackentasche stecken und den weiteren Weg in Angriff nehmen. Große Schritte sind es nun, die ihn vorwärtstragen, leise zählt er mit. Bei neunzig angekommen geht es zurück in eine gebückte Haltung, was bei Toni Schuster auch wirklich weit unten ist, und Richtung Waldrand. Jetzt heißt es gewaltig aufpassen.
    Spielend leicht findet sein Daumen im Inneren der Jackentasche die gewünschte Taste, dann drückt er ihn, den Knopf mit dem grünen Hörersymbol.
    Keine drei Sekunden später erhellt ein Licht die Nacht. Und dank des großen Displays ist es ein unübersehbares Strahlen, wie eine Sternschnuppe am nächtlichen Firmament macht es im Schnee auf sich aufmerksam. Jetzt kann er seinen Gegner zusätzlich zum Mündungsfeuer bereits akustisch orten. Dumpf ist der Knall, eindeutig die Reaktion: »Verdammt!«
    Toni Schuster überquert unbemerkt die Straße, während sich der Attentäter erneut versucht. Dann ist sie unterbrochen, die Verbindung. Jedem Zeitalter seine Götzen, und einmal mehr beweisen auch diese ihre Sterblichkeit. Klirrend verteilen sich gläserne und metallische Einzelteile im Geäst.
    »Hab ich dich!«, dringt es aus dem Wald.
    Ähnliches denkt sich Toni Schuster, heilfroh, sein Multifunktionsmesser bereits einsatzbereit in der gesunden Hand liegen zu haben.
    »Das, das, das, war …!« Franz Kellner kann es nicht fassen. »Meine ganzen Kontakte, meine …!«, flüstert er.
    »Meine Güte, das war nur ein Handy!«, kann sich der Metzger jetzt nicht zurückhalten.
    »Weißt du, was das Teil kostet, hast du die geringste Ahnung …?«
    »Ja genau, fangen Sie jetzt bitte noch zu weinen an, und wir stehen erneut unter Beschuss! Lassen Sie sich lieber was einfallen.«
    »Hast du ein Telefon, rufen wir die Polizei an!«
    »Natürlich, anrufen werde ich nach dieser Lektion jetzt wen!« Genervt ist er, der Willibald, und weit davon entfernt, sich verkriechen zu wollen. »Was bitte ist los in diesem Ort? Wer hat hier

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