Der Metzger bricht das Eis
Unterschied: Das neben ihm fährt weiter, raubt ihm kurz die Sicht auf Ada Kalcher und biegt nach links. Dann raubt ihm gar nichts mehr die Sicht, denn das Kind ist weg. Zügig nimmt das andere Fahrzeug Fahrt auf, und der Metzger steht allein auf weiter Flur. Dann läuft er wieder.
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Der die Ermittlung leitende Beamte heißt Robert Fischlmeier. Zumindest vom Alter her ist er wie der Metzger ein Mann um die fünfzig. Der Rest aber unterscheidet sich erheblich von der zwar altmodischen und korpulenten, ansonsten aber gepflegten Erscheinung des Restaurators: Augenringe, ein undefinierbarer Zustand zwischen Drei- und Mehrtagebart, fettiges Haar, ein wohl als Schmuck gedachter kleiner Ring im rechten Ohrläppchen, der Oberkörper stämmig, der Mittelbau eine noch weitaus höher frequentierte Lebensmittelverwertungsmaschinerie als die des Restaurators, und in einem ist sich die Djurkovic sicher: Die Tankfüllung des Herrn Fischlmeier wird nicht mit Wasser hinuntergespült. Unsympathisch ist er ihr aber trotzdem nicht.
Bei Sophie Widhalm sieht das natürlich gleich anders aus. Mit auf dem Schreibtisch aufgestützten Armen steht sie vor ihm und widmet sich voller Inbrunst ihrer Ansprache. Einer Ansprache von solch wortgewaltiger Eindringlichkeit, wie sie in dieser Dienststelle bisher wohl noch nie vernommen wurde. Und weil die Welt hier normalerweise noch ihre rechte Ordnung hat und man folglich noch wer ist, als Polizist, Lehrer, Pfarrer, Kapellmeister oder Angestellter der Sparkasse, lässt man die Dame zwar höflichkeitshalber aussprechen, allerdings nur, um danach adäquat auf den fehlenden Majestätsgehorsam hinzuweisen.
»Bist du jetzt also fertig? Wunderbar. Punkt eins: Mit diesem Ton kannst du bei uns nicht einmal im Kirchenchor mitsingen – und falsch singen die, da lässt sich der Herrgott freiwillig exkommunizieren. Punkt zwei: Wenn du so weitermachst, kannst du dir auch gleich das Zahnbürstel herbringen lassen, ist das klar! Und bei Punkt drei hörst du mir jetzt genau zu: Toni Schuster befördert gestern im Edelweiß unseren Erich Axpichl in die Waagrechte, und zwar mit den Worten: ›Durch den Fleischwolf gedreht gehören so Typen wie du!‹ Toni Schuster lässt sich am nächsten Morgen noch vor Inbetriebnahme der Lifte mit einem Snowmobil genau auf denselben Berg bringen, den Erich Axpichl bekannterweise tagtäglich um diese Uhrzeit die Piste hinaufjoggt. Wenig später wird Erich Axpichl fleischwolfartig verstreut auf genau dieser Piste aufgefunden. Da darf man sich dann aber wirklich zu dem Gedanken hinreißen lassen, so ein glatter Oberarmdurchschuss könnte ein selbst verpasster sein, sprich: Gefahr in Verzug.«
Worauf Sophie Widhalm mit blutrotem Gesicht zwar eingesteht, dass aus polizeilicher Sicht der morgendliche Soloritt des Toni Schuster über die jungfräulichen Pisten in gewisser Weise natürlich etwas verdächtig erscheint, es aus ihrer persönlichen Sicht allerdings so etwas wie Gefahr in Verzug ausschließlich aufgrund des begründbaren Verdachts gibt, die Besetzung dieser Dienststellenleitung könnte direkt aus den Reihen einiger Repetenten der schwächsten Leistungsgruppe der örtlichen Volksschule rekrutiert worden sein. Es gehöre nämlich schon eine gewaltige Leere im Oberstübchen dazu, anzunehmen, ein Mörder würde nach erfolgreicher Tat noch sinnlos in der Gegend herumknallen, sich dann selbst mit einem Gewehr in den Arm schießen, dann die Polizei verständigen, den Ort des Geschehens melden, eine Personenbeschreibung abgeben und sich im Anschluss gemütlich in der Notaufnahme so lange den Arsch wund hocken, bis ihn die Polizei endlich gefunden hat. Zur Verdeutlichung ihres inneren Zustandes rüttelt sie, sehr zur Freude einer randvollen Kaffeetasse, den Schreibtisch kräftig durch und erklärt lautstark, das ihr entgegengebrachte Du ignorierend: »Wenn Sie Ihren Verdacht tatsächlich ernst meinen, würde ich Ausnüchtern empfehlen, Herr Beamter, verstanden! Ausnüchtern!«
Danjela Djurkovic reagiert prompt: »Müssen Sie entschuldigen Frau Widhalm, ist ein bisschen zu viel junge Lieb auf nüchterne Magen!«
»Wieso entschuldigen!«, wehrt sich die Betroffene.
»Ich versteh nur nüchtern! Dazu hätt ich einen Vorschlag«, meldet sich nun auch Robert Fischlmeier zu Wort: »Wir sollten der Madame Widhalm schleunigst was zu essen geben. Wie wärs mit Ausnüchtern bei Wasser und trockenem Brot!«
»Nix Wasser und trockenes Brot, brauch ma jetzt was Warmes und ein paar kalte
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